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Die Schweiz ist anders als ihr Ruf

24.07.14 (Kommentar, Schweiz) Autor:Stefan Hennigfeld

Es gibt Radikalkritiker der Eisenbahnreform in Deutschland, die sich die alte Behördenbahn zurückwünschen. Der informelle Zirkel „Bahn für alle“ verweist regelmäßig auf den ach so großen Erfolg des Staatseisenbahnsystems bei unseren südwestlichen Nachbarn in der Schweiz. Alles sei ganz toll da unten mit den Schweizer Bundesbahnen. Der integrierte Taktfahrplan funktioniert, niemand brauche sich Sorgen zu machen um Leistungskürzungen und Streckenschließungen und vor allem sei der Service ja so gut, wenn man statt dem komischen Privatisierungs- und Unternehmermodell Deutschlands eine gemeinnützige Einheitsbahn hat.

Das stimmt nicht mal auf den ersten Blick. Zum einen betreiben die Schweizer Bundesbahnen nur etwa die Hälfte der Schienenverkehre in der Eidgenossenschaft. Man stelle sich vor, was wäre, wenn man sämtliche, für den SPFV nicht benötigten Strecken aus dem DB-Konzern herauslösen wollte und ins Eigentum der Länder oder gar der Kreise und kreisfreien Städte übertragen wollte. Die hätten dann auch die politische Verantwortung dafür und die Kompatibilität ist weitaus geringer als man so denken mag: Nicht nur, dass meterspurige Eisenbahnen dort in den Alpen häufig die Regel sind, auch Zahnradbahnen gibt es in vielen Fällen, weil man die Berge anders nicht raufkommt.

Übrigens, bevor es jetzt Diskussionen gibt: Gelegentlich wird auch in Deutschland kolportiert, solche Sonderbauformen im Eisenbahnwesen machen eine Gesetzesänderung für Direktvergaben nötig, weil ein Ausschreibungsverfahren keinen Mehrwert bringe. Das mag sein, hierbei wird jedoch geflissentlich übersehen, dass das deutsche Vergaberecht in dem Fall, dass nur ein Unternehmen aus technischen Gründen in Frage kommt, einen Auftrag auszuführen, Ausnahmen vorsieht. Zurück in die Berge: Auch hier gibt es, entgegen der landläufigen Annahme, Verkehrsverbünde und Aufgabenträger. Weil ein Aufgabenträger aber ein zahnloser Tiger ist, wenn es Kraft Gesetzes nur einen einzigen Betreiber gibt, wurde dort schon vor Jahren mit dem Konzept Bahnreform 2.2 der Weg für Ausschreibungen frei gemacht. Somit haben die Aufgabenträger Alternativen und sind nicht mehr auf Gedeih und Verderb den SBB ausgeliefert. Wenn selbige zu teuer wird oder es mit der Qualität einfach nicht klappen will, dann droht mit der Ausschreibung die Alternative, weil man auch im „gelobten Bahnland“ erkannt hat, dass mit der Trennung von Be- und Ersteller erhebliche Vorzüge verbunden sind.

Im vom Bundesamt für Verkehr herausgegebenen ÖV-Konzept 2030 hat man jetzt als politisches Ziel ausgegeben, künftig mehr private Betreiber in den Markt zu bringen und den Anteil der öffentlichen Hand am Eigentum der Verkehrsunternehmen zurückzufahren. Offensichtlich setzt sich auch dort die Erkenntnis durch, dass private Investoren, die ihr eigenes Geld anlegen, wirtschaftlicher handeln als die öffentliche Verwaltung. Deswegen ist der Weg, den die Schweiz jetzt einschlagen will, auch der richtige. Marktwirtschaftliche Strukturen sichern Qualität und Leistung – und auch die SBB werden profitieren, ähnlich wie die DB vom neuen Eisenbahnystem profitiert hat.

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