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Bahnhof Altona: Aus Stuttgart wenig gelernt?

07.07.14 (Hamburg, Kommentar) Autor:Niklas Luerßen

Nach Stuttgart 21 (S21) seit dem Jahr 2001 (oder 1994, je nach Zählweise) soll nun im Norden der Republik ein weiteres Eisenbahngroßprojekt umgesetzt werden. Grundsätzlich ist gegen neue Bahnprojekte erstmal nichts einzuwenden, im Gegenteil, eine Erneuerung oder Verbesserung von Infrastruktur ist gelegentlich notwendig. Doch ist interessant, wie sehr sich die beiden Projekte in manchen Punkten ziemlich ähneln. Wie in Stuttgart geht hier die Stadt Hamburg in Vorleistung und kauft das zum Freiwerden vorgesehene Gelände vorzeitig der Deutschen Bahn ab, um es irgendwann in der Zukunft nutzen zu können.

Dabei ist die Frage noch immer ungeklärt, was geschieht, wenn ein anderes Eisenbahninfrastrukturunternehmen (teilweise) Gleise betriebsbereit übernehmen möchte, dann kann es nach Eisenbahnrecht eigentlich nicht stillgelegt werden. Wie in Stuttgart geht es hier vor allen Dingen darum, wertvolles Bauland zu gewinnen, dafür eignen sich vor allen Dingen alte Kopfbahnhöfe. Keine Frage, neue Wohnungen sind in Hamburg dringend nötig, der Wohnungs- und Mietmarkt ist dort so angespannt wie fast nur in München und anderen hochpreisigen Gegenden. Die Frage ist, inwieweit die Wohnungen für den „Normalbürger“ bezahlbar sein werden – das Beispiel Stuttgart mit dem Pariser Platz lässt nicht viel Gutes ahnen.

Wie anfangs in Stuttgart wird dieses Projekt als „Geschenk“ bezeichnet und es wird zur „Jahrhundertchance“ hochstilisiert. Die Gefahr, dass auf Stadtebene das Projekt schnell den sachlichen Bereich verlässt und euphorisch hochgelobt wird, ungeachtet kritischer Stimmen, die sicherlich noch kommen werden, ist also nicht zu unterschätzen. Immerhin: Die Stadt will sich an der Finanzierung des Bahnprojektes an sich nicht beteiligen und bezeichnet das als reine Angelegenheit der Bahn. Allerdings: In Stuttgart hatte man anfangs ähnliches behauptet, da sollte sich sogar das ganze Projekt S21 über die Grundstücksverkäufe sowie reduzierter Instandhaltungsmaßnahmen des alten Bahnhofs für die Zeit bis zur Inbetriebnahme von S21 refinanzieren. Als das nicht gelang, wurde unter Beteiligung von Stadt, Region, Flughafen, Land und DB ein hochkomplizierter Finanzierungsvertrag geschlossen, wodurch es eben eigentlich kein „Geschenk“ mehr war.

Immerhin hat man es hier nicht mit geologisch schwierigem Terrain wie Gipskeuper oder zweitgrößtem Mineralwasser Europas nach Budapest zu tun und es ist nach derzeitigem Stand auch nicht zu erwarten, dass es ein Milliardenprojekt wird, da die in Hamburg nötigen Maßnahmen doch ziemlich überschaubar sind. Für den Bahnverkehr an sich hat dieses Projekt Vor- und Nachteile. Um zur Überschrift dieses Kommentars zu kommen: Der damalige Schlichter bei S21, Heiner Geißler, sagte am Ende des Schlichtungsverfahrens sinngemäß, dass das bisherige Planungs- und Baurecht antiquiert sei und die Politik in Zukunft Großprojekte auf diese Art und Weise und ohne Bürgerbeteiligung nicht mehr durchführen könne. Wie das Beispiel hier zeigt, scheint die Politik alte Gewohnheiten weiterhin ohne große Veränderungen ausleben zu wollen.

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