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Fakten auf den Tisch!

30.06.14 (Baden-Württemberg, Kommentar) Autor:Niklas Luerßen

Dass Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) die Zahlungen an die DB Regio Baden-Württemberg aus dem Nahverkehrsvertrag, der von 2003 bis 2016 läuft, teilstorniert hat, um Licht in das dubiose Haushalts- und Finanzgebaren der Vorgängerregierung unter Erwin Teufel und dem damaligen Verkehrsstaatssekretär Stefan Mappus zu bringen, ist begrüßenswert. Es geht jedoch nicht nur um die Veruntreuung von Haushaltsmitteln in der Gesamtsumme von über einer Milliarde Euro, sondern um eine mutmaßliche illegale Subventionierung von Stuttgart 21.

Im Spätsommer 1999 war Stuttgart 21 de facto gestorben. Johannes Ludewig, der bisher einzige in der bisherigen Geschichte der Deutschen Bahn AG nicht aus dem Umfeld der Autoindustrie stammende Bahnchef, hatte die Planungen zu Stuttgart 21 einstellen lassen, weil das Projekt „schlicht zu groß und für die Bahn zu teuer“, sei, so Ludewig damals. Erst nach viel politischem Druck von der damaligen CDU-Landesregierung und verschiedenen Maßnahmen der „künstlichen Beatmung“ beschloss der Bahnaufsichtsrat am 14. März 2001, die Planungen wieder aufzunehmen und das scheintote Projekt fortzuführen. Zu den damaligen Reanimationsmaßnahmen gehörten offene und verdeckte Subventionierungen, mit der die Bahn gedrängt werden sollte, das nicht im Bundesverkehrswegeplan ausgewiesene Projekt fortzusetzen, allen voran ein überteuerter, geschickt verklausulierter Nahverkehrsvertrag, der den Landesetat am Ende mit eine Milliarde Euro durch sonst nichts zu erklärenden Mehrkosten belasten wird.

Einen Vorgang, bei dem jemandem – hier der Bahn – eine Gegenleistung dafür versprochen wird, dass er entgegen seinem ursprünglichen Interesse eine Entscheidung zum Vorteil des Zuwenders verspricht oder gewährt, bezeichnet man juristisch als Bestechung, umgangssprachlich verbreiteter als Korruption. Die Entscheidung des Aufsichtsrats der Deutschen Bahn AG vom 5. März 2013, trotz einer erheblichen Kostensteigerung auf 6,8 Milliarden Euro und erwiesener Unwirtschaftlichkeit Stuttgart 21 fortzusetzen, ist so gesehen der zweite Sündenfall, nachdem das Projekt schon 2003 ohne die jetzt in die Öffentlichkeit gekommene Schattensubventionierung längst als unwirtschaftlich beerdigt worden wäre.

Das pikante an dieser momentan hochkochenden „Affäre“ ist jedoch, dass der Vertrag so geheim gar nicht gewesen ist. Aber man hatte vereinbart, nicht öffentlich darüber zu sprechen, was im Detail drinsteht. Dass die Bahn das Land mit dem Vertrag mutmaßlich über den Tisch gezogen hatte, wusste aber zumindest jeder, der sich mit der Materie näher befasst hatte. Schlimm ist an der ganzen Sache, dass die damalige schwarz-gelbe Landesregierung diesen für das Land überteuerten Nahverkehrsvertrag vermutlich auch deshalb unterzeichnete, weil sie sich dadurch bei der Bahn direkt eine positive Unterstützung des Projekts Stuttgart 21 erkaufte. Das ist der eigentliche Skandal. Die vorbehaltlose Aufklärung der Abläufe und Hintergründe ist eine Frage der politischen Hygiene in diesem Bundesland, die ganze Wahrheit der dortigen Vorgänge muss jetzt auf den Tisch.

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