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Warum nicht einer alles machen soll

26.05.14 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Max Yang

Die französische Staatsbahn SNCF macht Schlagzeilen, weil sie aufgrund eines Kommunikationsproblems mit dem Netzbetreiber RFF Nahverkehrszüge bestellt hat, die zu breit für ältere Bahnhöfe sind. Beinahe reflexhaft ruft der französische Verkehrsminister nach der Rückgängigmachung der Trennung von Netz und Betrieb. Am 16. Juni soll das Parlament über die Errichtung eines integrierten Staatsbahnkonzerns beraten. Und überhaupt, wo immer es hakt, nicht nur in Frankreich: Immer sei das Bestellerprinzip, der Ausschreibungswettbewerb oder „Privatisierung“ schuld, rufen Vertreter linker und rechter politischer Parteien sowie Gewerkschaften unisono.

Natürlich müssen Schnittstellen eingerichtet werden, wenn man aufgelockerte Strukturen mit verteilten Zuständigkeiten hat. Mancher deutsche Eisenbahner hat in den Neunzigern und auch später mit den Finger auf die Briten gezeigt, die seit der späten Staatsbahnära mit Wartungsdefiziten und einer spektakulären Unfallserie zur Jahrtausendwende zu kämpfen hatten, und die angebliche Überlegenheit eines integrierten Konzerns kolportiert. Aber auch in integrierten Konzernen kann es Versäumnisse und Missverständnisse bei der Kommunikation geben, denn Irren ist menschlich. Zu Bundesbahnzeiten war die Eisenbahn sogar quasi ihre eigene Aufsichtsbehörde. So konnten gefährliche „Innovationen“ wie das Unglücks-Radreifenmodell von Eschede („Bochum 84/Baureihe 064“) im Schnelldurchlauf zugelassen werden, obwohl eine Überprüfung des Zustands der Räder in den Werken nach dem damaligen Stand der Technik anscheinend gar nicht zuverlässig möglich war.

Oder denken wir an die Müngstener Brücke bei Solingen, die immer wieder wegen Baufälligkeit gesperrt wird. Im Mai 2011 wurde die Brücke für den Verkehr kurzzeitig wieder freigegeben. Die Fahrgäste hatten nichts davon, da aufgrund einer falschen Angabe im Genehmigungsantrag der DB an das Eisenbahn-Bundesamt lediglich vom Leergewicht der VT 628 ohne Passagiere ausgegangen wurde. Eine ähnliche Posse wie jetzt in Frankreich, doch dass das EBA nicht Teil einer großen Behördenbahn (mehr) ist, daran wird aus gutem Grunde von kaum jemandem mehr gerüttelt. Übrigens fährt jetzt Abellio den „Müngstener“ und kann gegen DB Netz alle rechtlich gegebenen Mittel ausschöpfen – zweifelhaft bleibt, ob DB Regio NRW gegen die Konzernschwester auch so vorgegangen wäre oder ob der Konzernfriede Vorrang gehabt hätte. Der Aufgabenträger hat ohnehin keine Rechtsposition gegenüber dem Infrastrukturunternehmen.

Auch Gewerkschafter, die „konzerninterner Arbeitsmarkt“ als Universalargument gegen eine Trennung von Netz und Bahnbetrieb nutzen, müssen zur Kenntnis nehmen, dass auch ein solcher ein Markt ist. Die Zeiten, in denen dienstunfähige Beamten-Lokführer automatisch zum Fahrdienstleiter umgeschult wurden, sind vorbei. Indem die Verantwortung auf mehrere Hände verteilt wird, die auch alle ihr Eigeninteresse an einem funktionierenden Ablauf haben, ist dem Interesse der Fahrgäste – um die sich alles drehen sollte – nach einem sicheren, zuverlässigen Verkehr am besten gedient.

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