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Der Streik und der Umgang der ÖV-Branche damit

20.03.14 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Es wird gestreikt im ÖPNV. Das wissen alle und es muss an dieser Stelle nicht noch groß dargestellt werden. Auch, dass die Busse und Straßenbahnen gar nicht erst aus den Depots gekommen sind, ist allgemein bekannt und da muss man sich die Frage stellen, wieso es im SPNV geschafft wird, selbst bei langfristigen Ausständen und Arbeitskämpfen zumindest Notprogramme zu organisieren, im kommunalen ÖPNV jedoch der Betrieb quasi freiwillig eingestellt wird.

Ja, der Streik ist in der Rechtsprechung eine Form von höherer Gewalt und damit anderen Dingen gleichgestellt, wie etwa dem Stromausfall, Krieg, Überschwemmung oder ähnliches. Und doch ist es ein inakzeptabler Missstand, dass die bestreikten Unternehmen von sich aus den Betrieb einstellen. Wenn dieselbe Gewerkschaft im Einzelhandel streikt, dann versuchen die betroffenen Firmen stets, den Kunden möglichst wenig in Mitleidenschaft zu ziehen. Man könnte jetzt sagen, das liegt daran, dass Unternehmen in der Einzelhandelsbranche ihr Geld am Markt verdienen müssen und die ÖV-Branche vom Staat alimentiert wird. Aber das wäre ja neoliberal.

Allerdings würde eine solche Reaktion auf einen Streik, nämlich den Betrieb von sich aus einzustellen, selbst im SPNV wohl durch die zuständigen Aufgabenträger als unbegründete Leistungsverweigerung betrachtet und entsprechend pönalisiert werden. Im kommunalen Bereich gibt es aber eine Aufgabenträgerschaft im eigentlichen Sinne de facto nicht oder nur stark eingeschränkt. Gleichzeitig sind Gewerkschaften in Monopolunternehmen traditionell sehr stark, sodass der Fokus hier sicherlich nicht darauf liegt, für die Nutzer, wie die Endkunden in der ÖV-Branche genannt werden, eine möglichst erträgliche Situation zu schaffen. Einige wissen vielleicht, dass in Hessen am Dienstag landesweit Abiturprüfungen waren. Jugendliche und junge Erwachsene stehen unter dem Druck ihres Lebens und in dieser Situation werden sie von den Verdi-Funktionären auch noch mit einem Anreiseproblem belastet.

Gut, diejenigen, die den Streik terminiert haben, werden ihre Kinder im Zweifel mit Taxen zur Privatschule fahren lassen, aber für all diejenigen, die darauf angewiesen sind, dass sie verlässlich zur Schule und Hochschule, Arbeit und Ausbildung kommen, sind solche Streiks ein Problem. Streiks, die eigentlich als ultima ratio gedacht sind, als das letzte Mittel. Im Konflikt um den Branchentarifvertrag im SPNV oder den Lokomotivführertarifvertrag, da waren die Streiks wohl unumgänglich und am Ende wurden die verfahrenen Verhandlungen durch Schlichtungs-, Mediations- und Moderationsverfahren gelöst. Das steht hier aber nicht an, sondern man wird sich sehr schnell einigen. Der alljährliche Streiktag ist eher symbolisch um zu zeigen: Wir leben noch. Ich selbst war mal während einer Streikveranstaltung von Verdi in der Bochumer Innenstadt. Zwei Bogestra-Mitarbeiterinnen unterhielten sich darüber, dass sie gerade Schnäppchenkäufe gemacht haben. Es gab Bratwurst und Getränke, aus dem Lautsprecherwagen tönte Musik von Wolfgang Petry. Das war wahrlich echter Klassenkampf. Weiß der Geier oder weiß er nicht.

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