Der Preis für den Gewinn
24.03.14 (Berlin, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Das soll keine Boshaftigkeit sein, aber trotzdem wäre es im Interesse eines funktionierenden und verlässlichen Schienenverkehrs bei der Berliner S-Bahn richtig und wichtig, dass der Gesamtvertrag, der 2017 endet, für die Deutsche Bahn AG in der Endabrechnung ein Defizit zeigt. Die Vorstellung, die das Unternehmen hier abgeliefert hat, ist jenseits aller akzeptablen Vorstellungen, im Gegenteil: Zur Gewinnmaximierung wurde auf üble Art und Weise gegen die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Führung des Eisenbahnbetriebs verstoßen.
Über Jahre hinweg fuhr die Berliner S-Bahn nicht nach den vom VBB bestellten Standards, sondern allenfalls nach einem von der DB AG selbst so definierten Notprogramm. Nun ist es aber nicht das primäre Ziel der Deutschen Bahn AG, einen guten Eisenbahnverkehr sicherzustellen, sondern Geld zu verdienen. Für die gemeinwirtschaftlichen Bereiche im Schienensektor sind die Aufgabenträger zuständig. Das bedeutet im Klartext: Wenn der Vertrag über seine gesamte Laufzeit hinweg am Ende einen Gewinn gebracht hat (auch wenn vielleicht nicht mit den erwünschten Renditen), dann hätte es sich gelohnt. Dann wäre all das Theater, das man in Berlin über Jahre hinweg auf Kosten der Nutzer veranstaltet hat, betriebswirtschaftlich richtig gewesen.
Das wäre das eigentlich fatale an der Geschichte. Dass nun die Ausschreibung kommt, ist mitnichten eine Strafaktion des Senats, sondern liegt ganz einfach im deutschen Vergaberecht begründet. Mit dem Abellio-Urteil hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass die Vergabe von Eisenbahnleistungen unter denselben Umständen zu erfolgen hat, wie auch die Vergabe anderer öffentlicher Aufträge. Eine neuerliche Direktvergabe, wie sie (zumindest vor den Wahlen im September 2011) auch vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) gefordert wurde, wäre ein klarer Verstoß dagegen gewesen und hätte am Ende zu vertragslosen Zuständen, Notvergabe, Auferlegungen und anderen Formen totaler Unsicherheit geführt, wenn die dem Senat übergeordneten Stellen eine rechtswidrige Direktvergabe für nichtig erklärt hätten. Auch in der früheren DDR-Hauptstadt, man glaubt es kaum, gelten Recht und Gesetz und – obwohl einige Leute das ernsthaft zu denken scheinen – auch das Abgeordnetenhaus kann sich nicht per Mehrheitsentscheid über verbindliche Bestimmungen hinwegsetzen.
Deshalb ist eine Ausschreibung obligatorisch. Die Losbildung auch, es sei denn, eine solche wäre aus technischen Gründen nicht oder nur unter stark erschwerenden Umständen umsetzbar. Tatsache ist aber, dass ein Inselbetrieb wie die Berliner S-Bahn betrieblich eher anspruchsloser ist als etwa auf hochbelasteten Strecken zwischen Fern-, Regional- und Güterverkehr. Wechselwirkungen muss man keine befürchten. Die Zugsicherung kann man mit Fug und Recht als primitiv bezeichnen. Gründe, wieso „nur die DB“ die S-Bahn fahren könnte, gibt es keine und dürften vor Gericht von Sachverständigen auseinander genommen werden. Aber: Eine neue Vergabeperiode bedeutet auch, dass es für alle eine faire Chance und einen Neuanfang gibt: Ob für Wettbewerber oder die DB AG.