Den Vorhang zu und alle Fragen offen
13.02.14 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Ganz Europa diskutiert über die Einwanderungspolitik in der Schweiz. Im Rahmen einer Volksabstimmung wurde entschieden, dass die Zuwanderung begrenzt werden soll. Ein kontroverses Thema, an dem sich die Geister scheiden, zu dem alle eine Meinung haben. Es beschäftigt die Menschen und findet im öffentlichen Bewusstsein statt. Dass die Schweizer letzten Sonntag auch über FABI abgestimmt haben, das Konzept, das die Infrastruktur auf dauerhaft solide Füße stellen soll, hat indes kaum jemand mitgekriegt. Dabei ist es mindestens eine genauso wichtige politische Weichenstellung, denn es schafft langfristige Klarheit und schützt die Verkehrsinfrastruktur davor, durch Änderungen der politischen Großwetterlage auf einmal wieder (wie so oft) zur Spardose der öffentlichen Haushalte zu werden.
Wir verschenken ein paar soziale Wohltaten? Rente? Höhere Hartzsätze? Sozialtickets? Oder wir schaffen einfach ein paar neue Beamtenposten für verdiente Genossen und Parteifreunde? Alles Dinge, für die sich Politiker feiern lassen können und es regelmäßig tun. Uninteressante Sachen, wie die Infrastruktur, müssen das dann finanzieren. Da kürzt man eben ein bisschen oder verlangt die Einhaltung von „Sparzielen“, die jenseits jeder Realität sind. FABI sei Dank geht das in der Schweiz jetzt nicht mehr. Aber das öffentliche Interesse daran, das mit zurückhaltend noch sehr freundlich beschrieben werden kann, zeigt, dass dieses Thema für Wahlkampfzwecke ebenso ungeeignet ist wie für abendfüllende Diskussionen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Aber so eine Fondslösung ist genau das, was man auch in Deutschland braucht, denn die Infrastruktur ist nichts, was man mit jeder Legislaturperiode neu verhandeln kann.
Morgen platzt die Bundesregierung und es gibt schwarz-grün, rot-rot-grün oder Neuwahlen und auf einmal ist alles Makulatur? Ein schlagendes Gegenargument gibt es: Finanzpolitiker sind demokratisch legitimiert und wer damit in den Wahlkampf zieht, dass man Mütterrenten einführen und die Hartzsätze erhöhen will, dann könnte ja jemand sagen, dass er zugunsten der Schienen, Straßen, Wasserstraßen und Schleusen an diesen Punkten sparen will. In der Schweiz hat man FABI deshalb per Volksabstimmung ratifiziert. Nun wird es in Deutschland, einer durch und durch repräsentativen Demokratie, keine Volksabstimmung über einen jahrzehntelangen Infrastrukturfinanzierungsfonds geben, das steht außer Frage. Aber es muss Lösungen geben.
Der VDV hat jüngst den Vorschlag erneuert, den Solidaritätszuschlag, der 30 Jahre nach dem Mauerfall auslaufen wird (Die Berliner Mauer hat im übrigen „nur“ 28 Jahre gestanden), in eine Infrastrukturabgabe umzuwandeln. Das wäre ein Fonds durch die Hintertür. Aber das eigentlich traurige ist etwas anderes, nämlich, dass man ohne Zweckbindung keine Infrastrukturfinanzierung sicherstellen kann. Es ist alles nur noch konzeptlose Beliebigkeit, um möglichst gut aus der Legislaturperiode wieder herauszukommen. Das wiederum hat vier Jahre Ungewissheit zur Folge. Wir stehen selbst enttäuscht und seh´n betroffen: Den Vorhang zu und alle Fragen offen.