Das 200-Millionen-Problem der ÖV-Branche
10.02.14 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Wenn VDV-Präsident Jürgen Fenske sagt, dass Vorgänge wie in Berlin, wo die BVG AöR im Rahmen eines fragwürdigen Finanzmarkt-Deals über 200 Millionen Dollar verzockt hat, die Ausnahme sind, dann hat er ohne Zweifel recht. Es ist nicht üblich, dass die ÖV-Branche das Geld von Steuerzahlern und Fahrgästen ins Kasino an der Wall Street bringt. Und doch, gerade in einer Phase in der die künftige Branchenfinanzierung im Fokus des Interesses steht, rückt das, was in Berlin passiert ist, ins Bewusstsein. Weil Diskussionen in der Infrastrukturpolitik ohnehin nur wenig dazu geeignet sind, um sich politisch zu profilieren, steht der Sektor als solcher bereits im Abseits.
Wenn man sich jetzt noch anhören muss, dass verzockte Gelder zur Unwirtschaftlichkeit beitragen, dann hat man ein Glaubwürdigkeitsproblem. In Berlin hat man nicht nur sich selbst, sondern allen geschadet. Aber trotzdem muss die große Koalition jetzt große Lösungen finden, um dauerhafte Verlässlichkeit zu bringen. Auch auf die Bund-Länder-Finanzverhandlungen zu hoffen ist zu wenig. Der VDV spricht sich seit Jahren für eine Fondslösung aus und auch andere Akteure favorisieren so etwas. FABI aus der Schweiz könnte da auch für Deutschland ein Vorbild sein. Kritikpunkte, dass ein langfristiger Fonds den demokratisch legitimierten Finanzpolitikern den Zugriff auf das Steueraufkommen entzieht, werden in der Schweiz dadurch gelöst, dass FABI per Volksentscheid beschlossen wird. Soweit kommen wir in Deutschland wahrscheinlich nicht, aber in einer Zeit, in der die Zweckbindung für immer mehr Gelder wegfällt, ist es nötig, politisch gegenzusteuern. Es gibt Dinge, die sind zu wichtig, um sie von der Farbenlehre im Bundeskabinett abhängig zu machen und in einem Transitland wie Deutschland gehört dazu eben auch die Verkehrsinfrastruktur.
Aber offensichtlich kommt man mit der Kampagne „Damit Deutschland vorne bleibt“ nicht so recht in die Gänge. Es fehlt, trotz gesperrter Autobahnbrücken, kaputter Schleusen und immer mehr Langsamfahrstellen im Netz, an der Griffigkeit. Daran muss die ÖV-Branche arbeiten. Gerade vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass der Kosten-deckungsgrad dauerhaft die Achtzig-Prozent-Marke wohl nicht knacken wird. Im letzten Jahr gab man noch als Ziel aus, den Betrieb vollständig aus den Fahrgeldeinnahmen zu finanzieren und lediglich investive Ausgaben durch die öffentliche Hand decken zu wollen. Davon ist man abgerückt. Das hat sicher auch damit zu tun, dass es neue Betätigungsfelder gibt, die sich ohne öffentliche Hilfe nicht finanzieren lassen. Ein großes Thema ist der Bereich Schienenlärm. Ja, da muss sich was tun. Die Verkehrswende wird nur gelingen, wenn sich die gesellschaftliche Akzeptanz der Eisenbahn erhöht. Nun kann man lang und breit über Stichtage diskutieren, aber Tatsache ist, dass es in Deutschland möglich sein muss, Güterzüge fahren zu lassen, ohne dass bei den Nachbarn die Wände wackeln. Gerade in solchen Punkten muss der sonst so konsensverliebte VDV aufpassen, dass man sich nicht in Einzelheiten verzettelt. Das Thema ist für die Schiene von existentieller Bedeutung.