Warum nicht alles, aber doch vieles besser wurde
06.01.14 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
In diesen Tagen feiern wir das zwanzigjährige Bestehen der Eisenbahnreform in Deutschland und da muss man feststellen – bei allen objektiv vorhandenen Problemen – dass es sich um einen großen Erfolg handelt. Während die Eisenbahn in der Bonner Republik überhaupt keine Rolle in der Verkehrspolitik mehr gespielt hat, war das Ziel ab 1994, wieder eine gewisse Ernsthaftigkeit in den Sektor zu bringen. Die Bundesbahn war Schattenhaushalt, faktische Arbeitsbeschaffungsmaßnahme und industriepolitisches Steuerungsinstrument (neue Fahrzeuge wurden immer dann beschafft, wenn die Waggonbauindustrie gefördert werden sollte), nur als Verkehrsträger wurde sie so gut wie gar nicht wahrgenommen.
„Ein gescheitertes Eisenbahnmodell alter Bauarbeit“ nannte VDV-Eisenbahngeschäftsführer Martin Henke die Bundesbahn vorletztes Jahr im Zughalt-Interview. Zurecht. Das einzige was man der bundesdeutschen Verkehrspolitik zugutehalten kann, ist, dass man in Westeuropa mit der Bundesbahn keinen Sonderweg gegangen ist, sondern die integrierte Behördenbahn war die Regel – die schlimmen Folgen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ebenso. Dabei ist es keine Sache von zwanzig oder dreißig Jahren den Schaden wieder zu beheben, den die Bundesbahn angerichtet hat. Die Schließung zahlreicher Eisenbahnstrecken, die allesamt großes Potential gehabt hätten, kann man nicht mal eben rückgängig machen. Dazu braucht es Generationen, um die Eisenbahninfrastruktur wieder auf den Stand zu bringen, den sie einst hatte.
Der Blick auf eine beliebige westdeutsche Schienenkarte von 1949 im Vergleich mit derselben von 1994 spricht Bände. Was man der vermeintlich bösen, privatisierten DB AG stets vorwirft, hat die Bundesbahn gemacht: Ohne Sinn und Verstand ist ein wütender Moloch mit der Axt an öffentliche Verkehrsinfrastruktur gegangen. Dass Streckenschließungen heute vom Eisenbahnbundesamt beschlossen werden müssen und dass die betriebliche Schließung etwas anderes als die eisenbahnrechtliche Entwidmung ist, ist ein unschätzbarer Erfolg der neuen Rechtslage – auch wenn die Umsetzung in der Praxis nicht immer so gut funktioniert hat. Doch es ist nicht nur die Infrastrukturfrage. Wer alt genug ist sich an heruntergekommene Bahnhöfe und unzumutbare Silberlinge zu erinnern, der weiß die Erfolge zu schätzen. Mit der Trennung von Besteller und Ersteller wurde das Gutsherrenprinzip im Eisenbahnwesen aufgehoben.
Es gibt jetzt, zumindest im Regionalverkehr, eine Instanz die das Geld verwaltet und zu deren primären Aufgaben ein angemessenes Controlling gehört. Kaum zu glauben, aber die Bundesbahn konnte nach eigenem Gutdünken fahren wie sie wollte und wenn man mit Beschwerden den Aktenvernichter gefüttert hat, dann hatte der Beförderungsfall eben Pech – meistens ist er irgendwann sowieso mit dem Auto gefahren. Dass ein regionaler Aufgabenträger heute solche Entscheidungen trifft, ist ein Erfolg der Eisenbahnreform. Auch die Einführung der Regionalisierungsgelder kann man gar nicht hoch genug bewerten. Bei allem, was noch heute im Argen liegt: Der Weg ist gut.