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20 Jahre Eisenbahnreform – the beat goes on

30.01.14 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs war die Eisenbahn nicht nur in Deutschland, sondern überall in West- und Mitteleuropa am Ende. Das Modell der staatlich-monopolistischen Eisenbahnbehörde ist vollumfänglich gescheitert. Das war schon lange klar und als Helmut Schmidt Anfang der 80er Jahre sagte, man müsse sich zwischen Bundesbahn und Bundeswehr entscheiden, klang das nicht gut für den Verkehrsträger Schiene. Das Gespenst der betriebswirtschaftlich optimalen Eisenbahn, die aus einem Rumpfnetz von drei- bis fünftausend Kilometern in Deutschland bestanden hätte, geisterte durch die damals noch stärker als heute aufs eigene Auto fixierte Verkehrspolitik der Bonner Republik.

Die Eisenbahnreform der 90er Jahre hat vielleicht sogar verhindert, dass der spätere Autokanzler Schröder und der unvergessene Bahnchef Mehdorn uns dieses Modell nach der Jahrtausendwende wieder aufgetischt hätten. In jedem Fall entstand in den ersten Jahren eine erhebliche Aufbruchstimmung: Die veralteten Silberlinge, die damals schon eine Zumutung für die Beförderungsfälle war (wie die Endkunden damals auch offiziell noch bezeichnet wurden) kamen immer öfter vom Gleis. Stattdessen wurde im Auftrag regionaler Aufgabenträger angemessenes Rollmaterial beschafft. Die Bundesbahn wurde zur Bahn AG und damit ging eine erhebliche Degradierung einher: Vom hoheitlichen Organisator wurde sie zum Lohnkutscher. Ja, genau das: Denn die Aufgabenträgerschaft wurde eingeführt. Der öffentliche, dem Gemeinwohl verpflichtete Besteller definiert Leistungsangebote und entscheidet, wann und wo mit welcher Kapazität gefahren wird

Dass der Begriff der „Lohnkutscherei“ in der heutigen Debatte über Herstellerwartung oder Fuhrparks der Aufgabenträger als politisches Schlagwort genutzt wird, ist polemisch und unsachlich. Natürlich ist das Verkehrsunternehmen im Regionalverkehr Auftragnehmer und somit Lohnkutscher. Es ist übrigens in solchen Unternehmen noch heute weit verbreitet, dass man nicht die Fahrgäste als die eigentlichen Kunden sieht, sondern die Aufgabenträger. Dazu passt auch, dass der VDV die Ansicht vertritt, dass die Zufriedenheit der Endkunden zwar unverbindlich evaluiert werden könne, letztlich müsse das Ergebnis jedoch folgenlos bleiben. Es hat vor diesem Hintergrund wenig mit unternehmerischer Kreativität zu tun, wenn sich diese ausschließlich über die Frage definieren soll, ob der Kunde die Züge mitbringen muss oder in irgendeiner Form beigestellt kriegt.

Die Frage, was ein Eisenbahnverkehrsunternehmen ist, stellt sich aber trotzdem in der jetzigen Zeit neu. Warum auch nicht? Es ist gerade mal zwanzig Jahre her, dass die Trennung zwischen Eisenbahnverkehrs- und Eisenbahninfrastrukturunternehmen besiegelt wurde. Vor diesem Hintergrund spricht nichts dagegen, wenn sich die Aufgabenfelder ändern und wenn auch Hersteller in den Sektor After-Sales einsteigen. Insgesamt ist der Markt noch so jung, dass noch immer erhebliche Veränderungen möglich sind. Auch nach fast 180 Jahren Eisenbahn in Deutschland, davon zwanzig Jahren Eisenbahnreform, wird es nicht langweilig: The beat goes on.

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