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Der große Wurf oder das große Flickschustern?

02.12.13 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Die große Koalition kommt, persönlich darf ich an dieser Stelle jedoch Zweifel äußern, dass sie tatsächlich vier Jahre halten wird. Die SPD, die eine rot-rot-grüne Bundesregierung nicht mehr ausschließen mag, wird vier Jahre den Ton angeben und kann ständig mit einem Ende der Regierung und somit auch Angela Merkels Kanzlerschaft drohen. Und dass man die dauerhafte Erstellung einer Berechnungsgrundlage für die Verteilung der Regionalisierungsgelder einer Nachfolgeregierung überlassen wird, ist ein Indiz dafür, dass man sich eher irgendwie vier Jahre über die Runden wurschteln will.

Dabei hat man mit großen Koalitionen auch große Mehrheiten und kann sachbezogene Entscheidungen treffen, auch dann, wenn einige Länder aufheulen werden. Ein Beispiel: Nordrhein-Westfalen, das am dichtesten besiedelte Flächenland Europas, erhält knapp eine Milliarde Euro Regionalisierungsgelder; das über weite Strecken nach UN-Standards unbesiedelte Brandenburg kriegt aber noch immer mehr als 400 Millionen Euro. Hier ist eine Schieflage entstanden. Die Überreste einer abgewirtschafteten Bundesbahn bleiben somit für mehr als 25 Jahre der Standard für den neuen Eisenbahnsektor. Damit verliert man viel Zeit, das System Schiene zu verbessern und attraktiver zu machen, richtig, richtig viel Zeit. Ein Vierteljahrhundert, hier reden wir nicht mehr über Jahrzehnte (von Jahren ganz zu schweigen), sondern von Generationen.

Bereits vor der Vereidigung des neuen Kabinetts fehlen in dieser wichtigen Frage Mut und Entschlossenheit. Aber gerade für die Verkehrswende ist es wichtig dafür zu sorgen, dass die Mittel nicht nur in ausreichender Form zur Verfügung gestellt werden, sondern auch den angemessenen Einsatz zu gewährleisten. Dazu gehört nicht nur, dass man wirtschaftliche Anreize setzt, um überteuerte Verkehrsverträge zu vermeiden, sondern auch, den SPNV da zu finanzieren, wo er notwendig ist. Sicher, nicht allein die Zahl der Bevölkerung ist relevant, hier muss eine deutlich komplexere Matrix her die viele Punkte berechnet, zum Beispiel auch, dass volle Züge deutlich mehr Fahrgeldeinnahmen generieren als eine Bimmelbahn über die Dörfer. Und doch sind es gerade die Metropolregionen, die von Natur aus dazu geeignet sind, mit einem guten ÖV-Angebot die Menschen auf die Schiene zu locken.

Doch auch im Fernverkehr darbt die Eisenbahn und jenseits einiger weniger von DB Fernverkehr befahrener Strecken sieht es übel aus. Die Versuche der Deutschen Bahn sich den Fernverkehr aus Regionalisierungsgeldern alimentieren zu lassen belegen, dass die Rechtsauffassung, SPFV sei nur dort nötig, wo er subventionsfrei fahren kann, nicht stimmt. Der Bund muss seiner Pflicht gerecht werden, für ein angemessenes Angebot zu sorgen, im Zweifel mit bestellten Zugleistungen. Die BAG SPNV ist als potentieller Aufgabenträger für den SPFV bereits vorhanden. Das gilt auch für SPFV ins Ausland. Nehmen wir Berlin: Die nächste Stadt mit über 200.000 Einwohnern von Berlin aus ist Stettin in Polen mit 400.000 Einwohnern. Einen angemessenen SPFV zwischen Berlin und Stettin gibt es nicht. Hier muss der seiner DB AG eine Richtung vorgeben!

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