Olympia-Aus auch für die zweite Stammstrecke?
14.11.13 (Kommentar, München) Autor:Stefan Hennigfeld
Zur Jahrtausendwende hieß es in Nordrhein-Westfalen gelegentlich, wenn man den Transrapid nicht rechtzeitig zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 baut, wird das Land an Rhein und Ruhr über Jahrzehnte gar nichts kriegen. Das wurde damals spöttisch belächelt, doch heute weiß man: Es stimmt. Die Alternativplanung Rhein-Ruhr-Express, deren Volleinführung eigentlich 2015 kommen sollte (Hey, das ist der Fahrplanwechsel nächsten Winter!), wird aktuellen Planungen zufolge irgendwann in den 2030er Jahren in gewünschter Form rollen. Wenn man die Verweigerungshaltung der rot-grünen Landesregierung betrachtet, die es ablehnt, sich finanziell an der Betriebsfinanzierung zusätzlicher Eisenbahnleistungen zu beteiligen, dann könnte das Projekt auch bis zum St. Nimmerleinstag in einer Vorphase stecken bleiben, sowie es bereits bei der S-Bahn passiert ist.
Irgendwann hörte man mit den Netzerweiterungen auf, auch weil kein Geld mehr da war, die anschließenden Betriebsleistungen zu finanzieren. S4 ist so ein Stichwort, bei dem vielen, die damals schon dabei waren, noch heute die Alarmglocken losgehen. Was bedeutet das für München? Nachdem das IOC die Bewerbung für die Winterspiele 2018 abgelehnt hat und man nun auf eine Bewerbung für 2022 verzichtet, dürfte das Projekt zweite Stammstrecke wesentlich schwieriger werden. Es fehlt das Ziel, der Punkt an dem sie da sein muss. Wenn der nächste Bundesverkehrsminister möglicherweise nicht mehr aus Bayern kommt, könnte es noch schwieriger werden, gerade auch wenn die Investitionsmittel des Bundes knapper werden.
Die Bayern werden sich eines Tages überlegen, ob man nicht hier die historische Chance versäumt hat, Infrastruktur- und Verkehrsprojekte voranzutreiben, deren Nutzen weit über ein zweiwöchiges Sportereignis hinausgegangen wären. Denn gerade in München hat man historisch gesehen immer von Ereignissen dieser Art profitiert: Die Einführung der S-Bahn zu den Olympischen Sommerspielen 1972 wäre ohne diese Veranstaltung wohl nie so schnell gegangen. Es musste aber ein System her, das rechtzeitig zu den Spielen an den Start geht und man hat es geschafft. Fünfzig Jahre später hätte man wieder für Olympia etwas bauen können, wovon die bajuwarische Landeshauptstadt auf Dauer profitiert hätte, etwas, das über die gemeinhin als „besonders nachhaltig“ geltenden Baumaßnahmen vom Prinzip „klein, schnell und billig“ hinausgegangen wäre.
Es geht ja in München noch weiter: Auch von der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 hat die Stadt profitiert, ebenso wie von 2006, ohne diese Weltmeisterschaft wäre der Bau des neuen Stadions nie denkbar gewesen. Die Entscheidung der Bevölkerung, sich gegen eine Bewerbung auszusprechen, war daher über weite Strecken irrational. Dabei braucht München so dringend die großen Investitionen: Keine Stadt in Deutschland wächst so rasant wie München, sowohl die Kernstadt wie auch die umliegende Metropolregion. Die MVG-Angebotsoffensive 2010 bis 2020 ist ein guter Start, aber der große Wurf fehlt und der muss her. Gerade da braucht München Selbstbewusstsein.