Investitionen finanzieren, Zukunft sichern
17.10.13 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Dass vermeintliche Schuldenfreiheit wenig wert ist, wenn man sie mit einem exorbitanten Investitionsstau erkauft, war an dieser Stelle schon mehrfach Thema. Die Schuldenbremse ist eine vernünftige Sache, um für Haushaltsdisziplin zu sorgen und zu verhindern, dass Politiker Wahlkampfgeschenke verteilen für deren Finanzierung dann die kommenden Generationen zuständig sind. Das Sozialticket in Nordrhein-Westfalen ist etwa so eins: Es spart für die Nutzer sieben Euro im Monat, gleichzeitig ist es aber für jedermann als Sozialticket zu erkennen und ist vor allem eine große Entwürdigung für die Anspruchsberechtigten. Solche Sachen kann eine Schuldenbremse wirksam verhindern – aber es gibt eben auch Ausgaben, die sich nicht einfach kürzen lassen, zumindest nicht ohne dass man im Anschluss daran mit negativen Folgen leben muss.
Eine auskömmliche Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur ist so eine Sache. Nachdem der Mainzer Hauptbahnhof letzten Sommer wochenlang vom Eisenbahnverkehr fast vollständig abgekoppelt war, weil keine Fahrdienstleiter für das örtliche Stellwerk zur Verfügung gestanden haben, hätte die erste Frage eigentlich lauten müssen, wann das ESTW-Sonderprogramm kommt, das jetzt (zurecht) vom Verband der Deutschen Bahnindustrie (VDB) gefordert wird. Deutschland lebt auch davon, dass Hochtechnologie in die ganze Welt exportiert wird. Da macht es einen außerordentlich schlechten Eindruck, wenn es auf einer ganzen Reihe an Eisenbahnstrecken noch immer eine Leit- und Sicherungstechnik aus der Zeit von Kaiser Wilhelm gibt, wo die Fahrdienstleiter mit großen Hebeln die Weichen und Flügelsignale steuern.
Solche Stellwerke kann man ja museal erhalten, schließlich sind sie Technikgeschichte, aber auf den modernen Eisenbahnen haben sie nichts mehr zu suchen. Gleichzeitig muss man sich aber die Frage stellen, wieso in den letzten Jahren teilweise hocheffiziente Spurplan-Drucktastenstellwerke durch ESTW ersetzt wurden, statt sich zunächst auf solche Strecken und Bahnhöfe zu konzentrieren, wo ein (hoch bezahlter) Fahrdienstleiter den ganzen Tag sitzt um dann einmal in der Stunde einen Hebel zu stellen. Von Schrankenposten und Blockstellen ganz zu schweigen. In der deutschen Schieneninfrastruktur gibt es einen ganz massiven Investitionsbedarf, den man in den nächsten Jahren wird angehen müssen, um sicherzustellen, dass die Eisenbahn zuverlässig funktioniert.
Das gilt insbesondere auch für die kommunale Schieneninfrastruktur und ist nicht auf die Anlagen der DB Netz AG beschränkt. Gerade die Stadtbahnen der 70er Jahre brauchen in den nächsten Jahren sehr kostenaufwendige Sanierungen, diese sind aber notwendig. Gleichzeitig sichert es die wirtschaftliche Existenz einer ganzen Branche. Die Verkehrsunternehmen haben es in den letzten rund anderthalb Jahren auch geschafft, sich hier ordentlich aufzustellen und darzulegen, dass sie Arbeit und Beschäftigung sichern – statt nur Geld zu kosten. Wenn die große Koalition in den Nullerjahren Opel auf Teufel komm raus gerettet hat, dann wird es nun Zeit für einen Rettungsschirm zugunsten der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur.