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Was die ÖV-Lobby (mal wieder) verschweigt

26.09.13 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Die Erkenntnis, dass die Eisenbahn ein Potential hat, das in Deutschland nicht ausreichend genutzt wird, ist ebenso richtig wie trivial. Selbstverständlich lässt sich aus der Schiene deutlich mehr machen als es in Deutschland aktuell der Fall ist und doch: Nicht die Auto-vernarrten, ideologisch-verbohrten Deutschen sind Schuld am Dahinsiechen der Eisenbahn, sondern die Zustände innerhalb des Systems sind ein Problem. Solange man es auch toll findet, dass es VHS-Kurse gibt in denen die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel gelernt werden kann, etwa der Umgang mit Fahrscheinautomaten, solange ist diese Branche vom Endkunden so weit entfernt, dass man sich nur an den Kopf fassen kann.

Kann sich jemand vorstellen, dass Apple oder TomTom erst wochenlange Kurse veranstaltet, damit man den Umgang mit Smartphones oder Navigationsgeräten lernt? Diese Geräte verkaufen sich deshalb so gut, weil sie intuitiv benutzbar sind. Auch auf die Gefahr hin, dass die Vorwürfe der neoliberalen Polemik und illoyaler Berichterstattung jetzt folgen werden: Aber das hat etwas damit zu tun, dass die Firmen Apple und TomTom am Markt ihre Produkte verkaufen müssen, während die ÖV-Branche von öffentlichen Geldern lebt. Hier kann man sich eine Beamtenmentalität leisten, weil man keinerlei Marktdruck ausgeliefert ist. Wenn man also ernsthaft dafür sorgen will, dass die Eisenbahn zur Verkehrsalternative wird, dann muss ein intuitiver Zugang her; Ansätze wie Check-In und Check-Out sind ja schon da, sie werden nur nicht stark genug vorangetrieben.

Natürlich ist der Fahrschein schon abgestempelt, wenn er nach 17 mal Tastendrücken aus dem Automaten kommt, es sei denn, es handelt sich um einen Automaten im Zug, der immer dann vorhanden ist, wenn die Sonne tief steht, ansonsten ist man Schwarzfahrer, wenn man am Bahnsteig gegenüber einsteigt, weil dort der Verkauf nur außerhalb stattfindet und überhaupt hat die eine Stadt Ringe, die andere hat Waben und wenn der Beförderungsfall sich nicht informieren kann, ist er selbst schuld. Wenn er dann mit dem Auto fährt, natürlich auch. Er soll gefälligst nach 19 Uhr eine Dreiviertelstunde auf den Bus warten, der gerade weg ist, wenn sein Zug ankommt. Das ist zwar ärgerlich, aber für den Regionalverkehr auf der Schiene und den Busverkehr sind eben unterschiedliche Aufgabenträger zuständig und wenn der Bus Verspätung hat und auch sonst fährt, wie er will, soll man sich halt beschweren. Wo?

Naja, beim Verkehrsunternehmen halt. Ich selbst habe mal bei der Pressestelle eines Kreises in NRW nachfragt, welche Meinung die zu den ständigen Verspätungen auf einer bestimmten Buslinie haben. Zur Erinnerung: Aufgabenträger dort ist nicht der SPNV-Besteller, sondern die Gebietskörperschaft. Die Pressestelle dieses Kreises erklärte mir, ich solle mich bitte an das kommunale Verkehrsunternehmen wenden. Dass sie selbst dort Aufgabenträger sind und somit auch für ein angemessenes Controlling verantwortlich sind, ist diesen Herrschaften nicht bekannt. Ja, da braucht sich die ÖV-Lobby im Land nicht wundern, dass die Beförderungsfälle lieber mit dem eigenen Auto fahren.

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