Semesterticket: Billig, aber auch billig genug?
09.09.13 (Kommentar, VRR) Autor:Stefan Hennigfeld
Ein paar Fakten vorweg: Studierende können für rund 25 Euro im Monat mit allen Regionalverkehrsmitteln Nordrhein-Westfalens fahren. Für Normalsterbliche kostet ein vergleichbares Ticket 300 Euro im Monat. Man muss sich daher ernsthaft die Frage stellen, auf welchem Niveau hier eigentlich gejammert wird. Bleiben wir aber fair: Selbstverständlich ist das Semesterticket ein Solidarmodell und für den Verkehrsverbund ebenso wie für die ausgebenden Unternehmen sind die Einnahmen garantiert, unabhängig von der Frage, wie hoch die Nutzung ist. Doch reicht das? Die Finanzierung muss auch für den Verkäufer auskömmlich sein und hier sind in den letzten Jahren nun einmal erhebliche Kostensteigerungen angefallen.
Jeder freut sich, wenn für die Arbeitnehmer in den Eisenbahnunternehmen oder kommunalen Verkehrsbetrieben die Löhne steigen, aber dieses Geld muss irgendwo erwirtschaftet werden. Wenn die Trassengebühren jedes Jahr auf Kosten des SPNV steigen und irgendwann der Punkt gekommen ist, an dem man solche Posten nicht mehr durch Ausschreibungsersparnisse kompensieren kann, dann bliebe ansonsten nur eine Alternative, nämlich die Abbestellung von Verkehrsleistungen. Was würden die Studenten wohl sagen, wenn man die Linie S1, die gleich fünf Hochschulstandorte verbindet, nach der morgendlichen Frühspitze ab 9 Uhr nur noch in Einzeltraktion fahren ließe? Dadurch könnte man nämlich ebenfalls Geld sparen, aber das wäre wahrscheinlich auch wieder nicht in Ordnung.
Was man der Studentenschaft verzeihen möge, schließlich sind es junge Leute, ist, dass man durch Pamphlete, in denen der VRR als „Verbund Raffi-Raffgier“ und die VRR-Chefs Martin Husmann und Klaus Vorgang als „Herr Raffgier“ geschmäht werden sicherlich vieles, aber keine Grundlage für konstruktive Gespräche geschaffen hat. Statt unsachliche Hetze zu betreiben ist es an der Zeit, sich seriös mit der Frage zu beschäftigen, wie das Semesterticket künftig aussehen sollte. Eine Preissteigerung von bis zu einem Euro im Monat – und das ist der vom VRR angegebene realistische Wert – hat nichts mit den kolportierten 43 Prozent zu tun. Denn das Semesterticket bringt nicht nur junge Leute auf öffentliche Verkehrsmittel, es macht auch den Hochschulstandort Rhein-Ruhr attraktiv.
Gerade wenn die demographische Entwicklung in den nächsten zehn Jahren auf die Studentenzahlen durchschlägt und der aktuelle Bildungsnotstand mit überfüllten Hörsälen sich ins Gegenteil dreht, wird man am High-Tech-Standort Ruhrgebiet froh sein, hochqualifizierte junge Akademiker vor Ort zu haben, denn nach dem Niedergang der Schwerindustrie und dem gescheiterten Strukturwandel (Opel und Nokia in Bochum, Siemens in Witten) steht das Ruhrgebiet erneut in Veränderungen. Wenn man einen Niedergang dieser Region aufhalten will, dann geht das nicht mit Dienstleistungsunternehmen und gegenseitigem Haareschneiden, sondern nur als Hochleistungsstandort. Mit der hohen Hochschuldichte an Rhein und Ruhr hat man hervorragende Bedingungen, innovative und gewinnträchtige Unternehmen anzusiedeln. Dazu gehört auch das Semesterticket.