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Müngstener Brückenstraße, Folge 4711

16.09.13 (Kommentar, VRR) Autor:Stefan Hennigfeld

Ausgerechnet am von der ÖV-Branche ausgerufenen Tag des Nahverkehr platzt die Bombe: Die Müngstener Brücke wird, natürlich für alle Beteiligten völlig überraschend, doch nicht im November freigegeben, sondern bleibt bis auf weiteres gesperrt. Da ja im Jahr 2014 sowieso eine weitere mehrmonatige Sperrung vorgesehen war, kann man getrost davon ausgehen, dass es sich diesmal nicht nur um ein paar Wochen handelt, sondern wir reden hier über Jahre in denen diese Brücke nicht befahrbar sein wird. Um das klarzustellen: Wir sprechen hier nicht von irgendeiner Nebenstrecke, auf der Henriette Bimmelbahn noch nie nach einem Plan fuhr, sondern um die Verbindung zwischen Remscheid (110.000 Einwohner) und Solingen (155.000 Einwohner), die im Zwanzig-Minuten-Takt befahren wird.

Die dortige Linie ist voll ins Netz der S-Bahn Rhein-Ruhr integriert und sichert den Anschluss der Region im Bergischen Land rechts der Wupper an die Landeshauptstadt Düsseldorf, die Region Köln-Bonn und den linken Niederrhein. Diese Strecke einfach so dichtzumachen ist inakzeptabel und eines zivilisierten Landes wie der Bundesrepublik Deutschland unwürdig. Der ursächliche eisenbahnpolitische Skandal ist deutlich größer als das, was in Mainz passiert ist. Wenn in Mainz schon das Eisenbahnbundesamt auf den Plan tritt und sich mit der Frage beschäftigt, ob hier gegen eisenbahnrechtliche Betriebspflichten verstoßen worden ist, dann muss das bei der Müngstener Brücke erst recht der Fall sein. DB Netz wird sich auf den Rechtsgrundsatz „impossibilium nulla est obligatio“ (Nichts ist Pflicht bei Unmöglichkeit) berufen und sagen, dass man nichts dazu kann, der Zustand der Müngstener Brücke sei eben höhere Gewalt.

Doch genau das ist es nicht! Hier hat man über Jahre hinweg die Instandhaltung vernachlässigt und muss nun mit den Folgen zurechtkommen. Dass die gesamte Anlage in einem desolaten Zustand ist, sieht man bereits mit bloßem Auge: Die Müngstener Brücke ist völlig verrostet und es passt zu einer langen Kette von Pleiten, Pech und Pannen, dass man jetzt eingestehen muss, nichts zu wissen und nach dem Prinzip „Wir gucken mal, was für Schäden wir sonst noch so finden“ verfährt. Man spricht bei der Wuppertaler Schwebebahn und der Müngstener Brücke von den zwei Bergischen Schwestern. Die Schwebebahn wurde schon seit den 90er Jahren generalsaniert, bei der Müngstener Brücke war zwangsläufig ähnliches fällig – nun scheint man es zuzugeben.

Aber zu welchem Preis? Dauerhafter Busverkehr bedeutet regulär eine Fahrzeitverlängerung von 40 Minuten pro einfacher Fahrt, im Winter rechnet man mit bis zu einer Stunde, weil die Busse auch bei Schnee und Eis die Berge hochfahren müssen. Das bedeutet bei 22 Arbeitstagen mit Hin- und Rückfahrt einen Freizeitverlust von 44 Stunden im Monat – mehr als eine ganze Arbeitswoche. Jetzt berechnet man besser nicht den volkswirtschaftlichen Schaden, um sich vom zu erwartenden Ergebnis nicht den Tag verderben zu lassen. Tatsache ist aber, dass die Eisenbahn im Bergischen Land als unzuverlässig gilt – Zustände, wie einst bei der Behördenbahn.

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