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Die Lehren aus Mainz

12.08.13 (Kommentar, Rheinland-Pfalz) Autor:Stefan Hennigfeld

Zuerst: Streckensperrungen oder Zugausfälle sind, selbst wenn sie personalbedingt stattfinden, nicht per se ein Thema für uns. Was dort aber in Mainz passiert, ist von branchenweiter Relevanz und sagt auch einiges über die Zuverlässigkeit der Eisenbahn als Verkehrsträger aus. Auch wenn es niemand hören will, aber die Probleme am Mainzer Hauptbahnhof tragen dazu bei, dass die Schiene ein Image kriegt, das man mit der Abschaffung der alten Behördenbahn mühevoll losgeworden ist.

Jetzt kommen wieder allerlei Spezialexperten, die erzählen, dass man entweder gleich zu ebenjener Behördenbahn zurückkehren müsse oder dass diese Probleme nur durch Unbundling zu lösen seien, während die DB AG selbst durchaus zufrieden damit ist, dass alle der Ansicht sind, es würde sich um Spätauswirkungen Mehdorn´scher Misswirtschaft handeln. Ein durch eine verfehlte Ausbildungspolitik hervorgerufener Personalmangel im Stellwerk kann bei der DB Netz AG genauso passieren wie bei einer unabhängigen Deutschen Eisenbahninfrastruktur AöR. Ein Unbundling ist ordnungspolitisch zu begründen und nicht durch die aktuellen Probleme in Mainz. Inwieweit das juristische Folgen für die DB Netz AG hat, weil diese ihre eisenbahnrechtlichen Betriebspflichten bricht, ist jetzt Sache des Eisenbahnbundesamtes und im Rahmen von Widerspruchsverfahren möglicherweise der übergeordneten Verwaltungsgerichtbarkeit.

Stattdessen sollte man sich auf politischer Ebene eine andere Frage stellen: Die Deutsche Bahn legt großen Wert darauf, dass sie vermeintlich angemessene Renditen aus ihrer Infrastruktur ziehen müsse. Nun kann man sich lang und breit mit der Frage der Angemessenheit auseinandersetzen, gerade auch in einer Zeit, in der das Vermögen der Bevölkerung durch Zinsdumping zerstört wird. Unbestreitbar ist jedoch, dass es primäre Aufgabe der öffentlichen Hand ist, für eine funktionierende Infrastruktur zu sorgen. Im Fall von Mainz Hbf muss der Bund auf das Bundesunternehmen DB Netz hinwirken, dass so etwas nicht mehr passiert, im Zweifel auch mit entsprechender Einflussnahme. Es ist gerade mal ein Jahr her, da ließ Herr Ramsauer sich „als Eigentümer der Deutschen Bahn“ für sein Eingreifen bei der Berliner S-Bahn feiern. Dass er ausgerechnet jetzt, sechs Wochen vor den Bundestagswahlen, so passiv ist, liegt vielleicht daran, dass Mainz für ihn besonders weit weg ist.

Ohne Politikerschelte betreiben zu wollen, aber Leuten, für die die Polizei die Straße sperrt wenn sie per Dienstwagen irgendwohin chauffiert werden, geht – nur vielleicht – der Bezug zu den Lebensrealitäten der Fahrgäste im täglichen Betrieb ab. Doch der selbsternannte „Eigentümer der Deutschen Bahn AG“ sollte die monatelange Abkopplung einer Landeshauptstadt zur Chefsache machen und wenn das die aktienrechtlichen Bestimmungen nicht zulassen, dass der Verkehrsminister ein Machtwort spricht, dann muss man über die handelsrechtliche Organisation der DB Netz AG ernsthaft nachdenken. Man sollte populistische Forderungen außer Acht lassen, aber was aktuell in Mainz läuft, ist völlig inakzeptabel und einem zivilisierten Land wie der Bundesrepublik Deutschland unwürdig.

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