Investitionen in angemessenes Rollmaterial
08.07.13 (Allgemein, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Es tut gut zu hören, dass man trotz Schuldenbremse und einer anhaltenden Staatsfinanzierungskrise zumindest außerhalb Südeuropas noch immer in die Eisenbahn investiert, denn es ist gut angelegtes Geld. Auch denn der stagnierende Modal Split in Deutschland nach wie vor branchenweites Versagen bezeugt, so ist es wichtig, dass der Schienenverkehr den Kunden (so nennt man die Beförderungsfälle bzw. das selbstverladende Stückgut heute) ein attraktives Angebot macht. Dazu gehört auch, dass Silberlinge, x-Wagen, Olympiatriebzüge und anderes Altmetall von der Schiene verschwinden.
Nun ist seit vorgestern der Sommer in Deutschland ausgebrochen und wer mit nicht klimatisierten Zügen fährt, der weiß was es heißt, in der Sauna zu sein. Da hilft es auch nichts, wenn man in den Silberlingen die Fenster aufmachen kann, egal wie heiß es ist: Jeder der regelmäßig Zug fährt kennt das: Sobald man ein Fenster öffnet, beschwert sich irgendeine Oma über Zugluft. In jedem Kleinwagen ist eine Klimaanlage heute selbstverständlich, in den Zügen noch lange nicht. Da steht man doch gern im Stau, wenn man wenigstens nicht schwitzen muss und zudem einen Sitzplatz hat. Klar verliert man Zeit, aber wenn der Anschluss (mal wieder) geplatzt ist, kommt man ja auch zu spät. Aber auch anständige und gut verständliche Fahrgastinformationssysteme sind wichtig und damit es die gibt, braucht man Investitionen in gutes Rollmaterial.
Natürlich sollte ein Zug länger als zehn oder zwölf Jahre halten, aber nach so langer Zeit im Einsatz ist eine grundlegende Überarbeitung fällig. Das sieht man ja aktuell an den ET 425 aus den 90er Jahren, die umfassend modernisiert worden sind. Auch bei x-Wagen gab es mal das Konzept S-Bahn plus, das den Einbau einer Klimaanlage, bessere Sitze und Kundeninformationen vorgesehen hat. Nun sind lokbespannte Wagenzüge für den S-Bahnbetrieb jedoch ohnehin ungeeignet. Warum gab es die überhaupt? Ende der 70er Jahre waren Entwürfe eines ET 422 fertig, der nichts mit dem von heute zu tun hatte und statt dessen auf den Olympiatriebzügen basierte, jedoch durchgängig war. Dass dieser nicht gebaut wurde, sondern x-Wagen und Lokomotiven kamen, lag daran, dass man in Nordrhein-Westfalen die Waggon- und Lokomotivindustrie unterstützen wollte. Das wäre nach heutigem Dafürhalten völlig inakzeptabel.
Die x-Wagen waren von Anfang an nichts anderes als eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Trotzdem waren sie damals ein Meilenstein: Es konnte warme und kalte Frischluft in den Fahrgastraum geblasen werden, sie waren stufenfrei erreichbar und kamen ohne Zugbegleiter aus. Trotzdem sind sie heute nicht mehr angemessen. Im Fall der Silberlinge helfen auch keine Redesigns mehr, deren Einsatz ist allenfalls museal noch akzeptabel. Da helfen auch keine statistischen Darlegungen, dass das Rollmaterial im deutschen SPNV angeblich überdurchschnittlich neu sei. Dieser Trend wird sich in den nächsten Jahren zunächst mit Recht fortsetzen, denn der von der Behördenbahn hinterlassene Investitionsstau muss abgearbeitet werden. Es wird Zeit!