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Grün-Rot und der Karren der ÖV-Lobby

04.07.13 (Baden-Württemberg, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Es gibt keine Verkehrswende. Es gibt auch keine „Umsteiger“, die den Stau auf der Autobahn hinter sich lassen und stattdessen jetzt mit dem Zug fahren. Wenn man viel Glück hat, gibt es 18jährige, die sich zwar über ihren Führerschein freuen, aber zunächst drauf verzichten mit dem Auto zur Schule oder Ausbildung zu fahren. Ja, es stimmt: Die Fahrgastzahlen steigen. Der öffentliche Verkehr kann am insgesamt wachsenden Verkehrsaufkommen partizipieren. Es ist gelungen, keine Marktanteile abzugeben, man hält die Werte konstant.

Die Kommunikationsstrategie ist branchenweit gleich: Man blendet den Modal Split aus und konzentriert sich auf das absolute Fahrgastaufkommen. Bei Verkehrspolitikern, die ihre Posten im Regelfall durch Regional- und/oder Parteiproporz erhalten haben, kommt das an. Die fragen nicht nach dem Modal Split, die wissen im Regelfall nicht mal, was das ist. Bei Winfried Hermann, der schon seit Jahren neben Anton Hofreiter bei den Grünen für die Bahn zuständig ist, ist das zumindest in der Außendarstellung anders. Dass man aber jetzt völlig unreflektiert ins Horn einer Branche stößt, die von öffentlichen Geldern lebt und die ihr eigenes Versagen als Erfolg ausgibt, ist enttäuschend. Gerade auch weil der Anteil des ÖV in Stuttgart im Vergleich zu ähnlich großen Städten weit zurückliegt.

Die grün-rote Landesregierung sollte sich, statt sich vor den Karren der ÖV-Lobby spannen zu lassen und deren peinliche Selbstbeweihräucherung zu bejubeln, für eine ernsthafte Verbesserung der Situation einsetzen. Dazu sind allerdings Umbrüche nötig, die vielen Akteuren nicht schmecken werden. Es fängt damit an, dass man das Leistungsangebot im SPNV durch Ausschreibungen langfristig sichert und ausbaut. Im Ländle gab es, und das liegt in der Verantwortung der schwarz-gelben Vorgängerregierung, noch nie eine wettbewerbliche Vergabe. DB Regio fährt hier mit Silberlingen, die sich in dieser Form kein anderer Aufgabenträger in Deutschland mehr gefallen lassen würde. Dazu kommt, dass der Vertrag viel zu teuer ist, aber man scheut den Konflikt mit der Deutschen Bahn, hier juristisch gegen anzugehen.

Fest steht aber, dass man den öffentlichen Verkehr nicht attraktiver macht, wenn auf der Schiene Züge unterwegs sind, die die Behördenbahn vor 50 Jahren angeschafft hat. Silberlinge haben im modernen SPNV nichts mehr zu suchen. Aber auch im kommunalen Bereich gilt es, innovativ und mutig zu sein. Das gilt nicht nur für (zweifelsohne notwendige) Carsharing-Konzepte, sondern auch für echte Veränderungen: Statt sich dogmatisch zu Inhouse-Vergaben zu bekennen wird es Zeit, auch hier wettbewerbliche Konzepte auszuarbeiten, aktuell etwa bei der Stadtbahn Karlsruhe. So erfolgreich das Modell ist, aber die Mehrfach-Mandate der Geschäftsführungen von AVG, VBK und KVV haben mehr als nur ein Geschmäckle. Was hier stattfindet ist eine handfeste Interessenverquickung und dagegen muss man politisch angehen; auch um die Gutsherrenmentalität öffentlicher Unternehmen zu bekämpfen und damit für mehr Kundenorientierung zu sorgen. Aber dazu fehlt Grün-Rot augenscheinlich die Courage.

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