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Bahnsteinzeit in Österreich

11.07.13 (Europa, Kommentar, Österreich, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Was die Arbeiterkammer Österreichs da zu erzählen versucht, grenzt an vorsätzliche Irreführung der Bevölkerung. Die vorgelegte „Studie“ ist so extrem dumm, dass einem schlichtweg nichts mehr einfällt. Da werden Parolen geschwungen, Vorurteile gepflegt und Ängste geschürt. Die behaupten tatsächlich, dass die ÖBB ohne Direktvergaben in die Krise fahren würde. In den ersten Jahren war eine Ausschreibung auch in Deutschland gleichbedeutend mit der Betriebsaufnahme einer Privatbahn, das ist heute anders. Natürlich ist die Gewinnquote bei DB Regio geringer als die Unternehmensführung es gern hätte; es steht aber außer Frage, dass man bei jeder Vergabe zu den Top-Favoriten zählt. DB Regio hat es in relativ kurzer Zeit geschafft, das Unternehmen marktfähig zu machen und es spricht nichts dagegen, wieso den ÖBB das nicht auch gelingen sollte.

Falls nicht, dann wäre es auch nicht schade drum, denn schließlich wird hier öffentliches Geld verbrannt. Die Behauptung, ein integrierter Taktfahrplan oder einheitliche Fahrscheine wären bei intramodalem Wettbewerb nicht mehr möglich, ist nur noch eins: Eine ekelhafte Lüge, die dem Ruf des Verkehrsträgers Schiene erheblichen Schaden zufügt. Man könnte jetzt annehmen, dass hier jemand das Bestellerprinzip nicht verstanden hat, aber das ist es nicht. Hier werden mit voller Absicht Horrorszenarien an die Wand gemalt, die mit der Realität soviel zu tun haben wie eine Kuh mit dem Mond. Die Fahrpläne schreibt der Aufgabenträger vor, an diesem ist es, Verkehrsangebote zu definieren und zu entscheiden, wer wann auf welcher Strecke fährt.

Dazu gehört auch, dass es klare Regelungen zur Anschlusssicherung gibt. Dann muss eben etwas passieren, das sich viele Eisenbahner wirklich nicht vorstellen können: Die Leitstelle von Müller-Rail muss mit der Leitstelle von Meier-Rail Kontakt aufnehmen und dann entscheiden, ob der Zug noch im Zeitfenster ist oder nicht. Zusammenarbeit zwischen feindlichen EVU: Das geht nicht, oder um es in der für Eisenbahner typischen Steigerung zu sagen: Das kann gar nicht gehen! Es ist übrigens genau dieses Bestellerprinzip das dafür sorgt, dass auch wenig attraktive Strecken weiterhin bedient werden und nicht mehr nach dem Gutdünken einzelner Behördenbahn-Beamter jederzeit geschlossen werden können. Gültige Verkehrsverträge sind einzuhalten. Darin ist es auch an den Aufgabenträgern, Qualitätsstandards zu definieren, damit man Schlechtleistungen, Verspätungen und andere Verfehlungen zum Nachteil der Kunden wirksam sanktionieren kann.

Die Trennung zwischen öffentlichem Besteller und privatem Ersteller ermöglicht es ökonomischen Druck auszuüben, damit der Betreiber ein Eigeninteresse an guten Leistungen hat. Da fragt man sich doch: Wer kontrolliert eigentlich die ÖBB? Gibt es eine übergeordnete Stelle, bei der man sich als Kunde beschweren kann oder muss man hoffen, dass man auf seine Eingabe bei den ÖBB nach sechs bis neun Monaten Bearbeitungszeit eine Textbaustein-Antwort bekommt? Wenn man darüber nachdenkt, kommt man zu dem Schluss, dass es hier wirklich um Pfründesicherung und nichts anderes geht.

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