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Unabhängige Vertriebsstrukturen schaffen

27.05.13 (Kommentar, Niedersachsen, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Selbst Wettbewerberverbände präferieren in der Vergabe von SPNV-Betriebsleistungen Nettoverträge, um die unternehmerischen Anreize für Eisenbahnunternehmen zu erhöhen. Das ist an und für sich ein sehr guter Ansatz, denn es muss auch jenseits von Pönalen ein wirtschaftliches Eigeninteresse der privaten Ersteller an hoher Qualität geben, ohne an dieser Stelle zu stark auf Sondersituationen und nachteilhafte Altverträge mit DB Vertrieb eingehen zu wollen. Denn die Grundvoraussetzung dafür ist, dass es vernünftige und faire Strukturen im Fahrscheinverkauf gibt und diese müssen unabhängig von den Betriebsleistungen ausgeschrieben werden.

Die Provisionen, die DB Vertrieb im Moment häufig erhält sind gemessen an dem, was bei Wettbewerbsvergaben erzielbar ist, deutlich zu hoch. Auch hier muss es Wettbewerb zwischen den Anbietern geben, auch hier kann die Deutsche Bahn sich bewerben; es können sich aber auch andere bewerben, wie im konkreten Fall in Niedersachsen, wo die digitalen Vertriebsleistungen durch eine Bietergemeinschaft übernommen wird. Der Fahrscheinvertrieb gemeinwirtschaftlicher Eisenbahnleistungen ist für die gesamte Reise- und Touristikbranche interessant und es gibt überhaupt keinen Grund, hier automatisch Direktvergaben an DB Vertrieb durchzuführen. Das ist auch vor dem Hintergrund vergaberechtlicher Bestimmungen nicht möglich, auch hier droht, wenn zu viele Aufgabenträger „unbürokratische“ Verträge mit DB Vertrieb aushandeln, alsbald ein weiteres Abellio-Urteil.

Dazu kommt, dass der Vertrieb ganzheitlich vergeben werden muss und nicht mit jedem einzelnen Teilnetz als Sonderverfahren auszuschreiben ist. In Niedersachsen geht man ja gerade den Weg der Vereinfachung, weil man genau weiß, dass gerade Wenigfahrer durch die komplexen Tarifsysteme häufig abgeschreckt werden. In einigen Zügen werden Fahrscheine verkauft, in anderen nicht und wenn die Automaten am Bahnsteig kaputt sind, ist der Kunde in der Beweispflicht, dass er wenigstens versucht hat, zu bezahlen. Deswegen ist die Entscheidung, den Kauf im Zug zu beenden, auch falsch. Fahrscheine müssen im Zug an entsprechenden Automaten erhältlich sein. Zum einen, weil die hygienischen Zustände an vielen Bahnhöfen einfach ekelig sind (wer will sich beim Fahrscheinkauf gern mit der Pest anstecken lassen?), zum anderen weil im Falle von Fehlfunktionen sofort ersichtlich ist, dass der Kunde vergeblich versucht hat, einen Fahrschein zu kaufen.

Immerhin ist der Verkäufer für eine funktionierende Verkaufsinfrastruktur verantwortlich. Dass man dabei auch Geldscheine annehmen muss, dürfte eigentlich außer Frage stehen, aber die ÖV-Branche ist einem angemessenen Umgang mit zahlenden Kunden Jahrzehnte hinterher. Wo wir gerade dabei sind: Dass man wochenlang darüber diskutieren musste, dass die neuen Fünf-Euro-Scheine nicht angenommen werden, zeigte einmal mehr, was für Zustände da vorherrschen. Kein Unternehmen, das nicht vom Steuerzahler alimentiert wird, sondern am Markt bestehen muss, könnte es sich leisten, die Annahme gesetzlicher Zahlungsmittel zu verweigern!

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