Straßenbahn öffentlich finanzieren, aber auch regulieren!
06.05.13 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Im Light Rail Sektor liegt also nach wie vor für die Industrie eine Menge Geld begraben, doch vor allem in Europa mangelt es am nötigen Geld für Ersatzinvestitionen. Nicht beim Rollmaterial, das lässt sich refinanzieren, sondern im Infrastruktursektor. Waren es, bleiben wir in Deutschland, in den 60er und 70er Jahren vor allem Bund und Länder, die die Straßenbahnen vergraben wollten, so sind es heute die Kommunen, die ohne Hilfe sehen müssen wie sie ihre Anlagen in Schuss gehalten kriegen. Gerade im Ruhrgebiet kann man ohne Übertreibung sagen, dass die Hütte brennt, und zwar lichterloh.
Doch man sollte die reflexhaften Forderungen nach mehr Geld nicht unreflektiert nachplappern. Wenn der Bund hier Geld für die Instandhaltung geben soll, dann muss es auch eine entsprechende Zugangsregulierung geben. Überall wird von Netzneutralität gesprochen, auch im Eisenbahnwesen, aber im kommunalen Schienenbereich haben wir nach wie vor Zustände, wie man sie aus dunkelsten Bundesbahn-Zeiten kennt. Auf unser Netz kommt niemand drauf, es gibt nicht einmal eigenständige Netzbetreibergesellschaften, sondern es ist alles miteinander verquickt was dafür sorgt, dass wettbewerbliche Strukturen nicht möglich sind – dabei ließen sich Straßenbahnen hervorragend ausschreiben. Wenn es schon öffentliches Geld für den Unterhalt geben soll, muss es auch eine öffentliche Regulierung geben, ansonsten wird hier keine Infrastruktur finanziert, sondern es werden kommunale Unternehmen alimentiert, deren Wirtschaftlichkeit von niemandem überprüfbar ist.
Wenn man aber einen freien Netzzugang auch im Straßenbahnsektor hat und dort das Erfolgsmodell Wettbewerb aus dem SPNV übernehmen kann, sieht die Welt anders aus. Dann eignen sich straßenbahnrechtliche Vorschriften auch für ganz andere Dinge. Reden wir mal über Neubau- oder Reaktivierungsprojekte: Die ließen sich nach straßenbahnrechtlicher Zulassung deutlich wirtschaftlicher gestalten. Alle Hindernisse, die es im Eisenbahnwesen bei Neubaustrecken gibt, die die Kosten in die Höhe treiben wie etwa das Kreuzungsverbot bei Bahnübergängen oder eine aufwendige Leit- und Sicherungstechnik, ließen sich deutlich vereinfachen. Man darf wieder Bahnübergänge bauen, man kann auch auf Sicht fahren mit einer sehr viel einfacheren Zugsicherung, weil ein 30 Tonnen schwerer Triebzug eben deutlich einfacher zu händeln ist als ein 3.000 Tonnen schwerer Güterzug.
Wenn man es also schafft, den Straßenbahnsektor zu regulieren, dann gelingt es nicht nur auf klassischen Light Rail Strecken effiziente Strukturen zu schaffen und die auf maximale Pfründesicherung ausgelegten Inhousevergaben zu überwinden, sondern man kann die heutige SPNV-Infrastruktur künftig deutlich einfacher betreiben. Dabei geht es nicht darum, das Karlsruher Modell bundesweit auszuweiten, sondern im Sinne möglichst innovativer Ideen die öffentlichen Verkehrsmittel auszubauen, jenseits der klassischen, im Autoverkehr mitschwimmenden Tram. Zu einer starken Schiene gehört auch eine starke, regional betriebene, aber öffentlich regulierte Stadtbahn.