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Öffentlichen Verkehr im Ruhrgebiet sichern

16.05.13 (Kommentar, Verkehrspolitik, VRR) Autor:Stefan Hennigfeld

Das Ruhrgebiet stirbt, die Zustände da sind wie im tiefsten und dunkelsten DDR-Ödland und letztlich wird es nicht mehr lange dauern, bis das einstige Kohle- und Stahlrevier völlig entvölkert ist und die Leute, die da noch wohnen, sind biergurgelnde, von Hartz 4 lebende Analphabeten. Das klingt klischeehaft, ist aber die Wahrnehmung der Region in ganz Deutschland – von Köln über Berlin bis München oder Hamburg. Dabei ist das Ruhrgebiet die größte Metropolregion Zentraleuropas und wird das auch dauerhaft bleiben. Das Ruhrgebiet ist Bildungsstandort und ein Schmelztiegel der Kulturen, den es so nirgendwo anders gibt.

Gelegentlich hört man Stimmen, wonach der ÖPNV in viel kleineren Großstädten ausgebaut werden müsse, im Ruhrgebiet solle das Credo jedoch „geplanter Rückbau“ lauten. Also U-Bahntunnel zuschütten, weil da ja bald sowieso keiner mehr ist. Wer das sagt, hat nicht verstanden, dass ein gutes ÖV-Angebot Grundlage für wirtschaftliche Prosperität ist. Nordrhein-Westfalen ist ein extrem benachteiligtes Land: 523 Einwohner pro Quadratkilometer, nirgendwo in Europa ist die Siedlungsdichte höher; das Ruhrgebiet hat 1.158 Einwohner pro Quadratkilometer. Die Tatsache, dass der Modal Split deutschlandweit so schlecht ist, liegt auch daran, dass der öffentliche Verkehr in Nordrhein-Westfalen und insbesondere im Ruhrgebiet massiv unterfinanziert ist. Das für eine polyzentrische Megastadt dieser Größe viel zu geringe Leistungsangebot sorgt mit dafür, dass das Marktpotential nicht ausreichend ausgeschöpft wird, während gerade in nach UN-Standards über weite Strecken unbesiedelten Ländern wie Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, oder Sachsen-Anhalt viel zu viel Geld zur Verfügung steht.

Nordrhein-Westfalen und insbesondere der VRR müssen deutlich besser gestellt werden, damit dort sowohl im SPNV als auch im kommunalen Bereich ein Angebot gefahren werden kann, das man in einer Region dieser Größe braucht. Dazu gehört auch ein umfassendes Reaktivierungsprogramm. Die Strecken, die von der Behördenbahn geschlossen wurden, hatten alle ihre Daseinsberechtigung und waren teilweise für großangelegte Verkehrskonzepte gedacht. Die Strecke von Witten nach Schwelm, die als zweigleisige Hauptstrecke ausgelegt wurde, könnte endlich eine angemessene Fahrzeit zwischen Wuppertal und Dortmund schaffen, weil man den Knoten Hagen umgehen würde; die Rheinische Strecke im Ruhrgebiet sollte mindestens im Zwanzig-Minuten-Takt befahren werden und vieles mehr.

Voraussetzung dafür ist aber, dass sich zunächst einmal Bund und Land gleichermaßen ihrer finanziellen Verantwortung stellen und nicht, wie es insbesondere die Landesregierung tut, lautstark fordern und selbst nur das bezahlen, was man Kraft Gesetzes sowieso muss. Gleichzeitig muss aber auch der Bund für eine angemessene horizontale Verteilung der vorhandenen Mittel sorgen. Damit das passiert, muss sich die Landesregierung in Düsseldorf argumentativ gut aufstellen. Der seinerzeit von Horst Becker ausgerufene Wettbewerb des lauten Schreiens ist kontraproduktiv. Obwohl: Jeder tut das, was er am besten kann.

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