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Verkehrswende: Allein mir fehlt der Glaube

25.04.13 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

So gut wie alles, was das Fraunhofer-Institut da ausgearbeitet hat, stimmt. Das ist auch nichts Neues. Natürlich braucht man für eine umfassende Verkehrswende schnelle, zuverlässige und attraktive Verbindungen, vernünftiges Rollmaterial und nach Möglichkeit auch ordentliche Betriebszeiten. Wenn um 19 Uhr ein „Nachtnetz“ startet, das noch vor Mitternacht Betriebsschluss hat, dann ist der ÖPNV keine Alternative. Wer Schichtarbeiter ist, ist oft allein deshalb auf sein Auto angewiesen, weil die Verfügbarkeit nicht vorhanden ist. Wenn sonntags morgens bis acht Uhr nach Nachtfahrplan gefahren wird, dann guckt man in die Röhre. Es gibt Mittelzentren in Deutschland, da fährt zweimal am Tag ein Bus in den nächsten Ort. Den nutzt natürlich keiner, weil so etwas keine ernsthafte Alternative ist. Aus dieser Nicht-Nutzung wird dann geschlossen, dass kein Bedarf vorhanden ist.

In Nordhessen geht man da einen zukunftsweisenden Weg, indem man Mtifahrgelegenheiten in den NVV-Tarif integriert. Nicht nur Carsharing oder andere Zuführungssysteme, sondern auch Fahrgemeinschaften werden angeboten und das alles unter dem Dach des Verkehrsverbundes. Das ist einer von vielen Lösungsansätzen, die wir brauchen. Dazu gehört aber auch die finanzielle Verantwortung, denn öffentlicher Verkehr kostet Geld. Man muss es immer wieder sagen, mit der Senkung der Regionalisierungsgelder 2007 und der damit einhergehenden Überkompensation aus der Umsatzsteuererhöhung ist ein Teil der finanziellen Verantwortung auf die Länder übergegangen. Allein deshalb wäre eine einseitige Erhöhung der Regionalisierungsgelder unstatthaft und ist im Hinblick auf Finanzierungsgerechtigkeit zwischen Bund und Ländern abzulehnen. Die Länder stehen jetzt in der Pflicht, sich an den Kosten zu beteiligen.

Gleichzeitig gilt es, unwirtschaftliche Strukturen zu beseitigen. Gerade der kommunale Bereich ist nach wie vor von Inhouse-Vergaben geprägt und niemand weiß, wie viel Geld dort begraben liegt. Das Problem ist die mangelnde Trennung von Besteller und Ersteller in solchen Fällen. Dadurch, dass die Gebietskörperschaft als Aufgabenträger Schiedsrichter und als Gesellschafter des kommunalen Verkehrsbetriebs zugleich auch Spieler ist, hat sie kein Interesse an einem funktionierenden Wettbewerb oder effizienten Strukturen, sondern will im wesentlichen ihr eigenes Unternehmen möglichst am Leben halten. Die juristische Konstellation, die hinter einer Inhouse-Vergabe steht, wäre in anderen Branchen in dieser Form bereits wirtschaftskriminell. Intensive Lobbyarbeit hat dafür gesorgt, dass dem ÖPNV in ordnungspolitischen Fragen eine dicke Extrawurst gebraten wird, koste es – im wahrsten Sinne des Wortes – was es wolle.

Wenn man dazu auch Jahrzehnte nach der Gründung von Verkehrsverbünden noch immer schlechte Anschlüsse hat und keine anständige Verzahnung zwischen dem SPNV und dem Busverkehr besteht, dann braucht niemand ernsthaft von irgendwelchen Verkehrswenden zu reden. Hier geht es darum, dass sich Leute ihre Pfründe sichern wollen, deren Mobilitätsverfügbarkeit sich über Dienstwagen und Fahrer definiert.

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