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Es berlinert wieder

11.04.13 (Berlin, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Alles begann damit, dass der Regierende Bürgermeister vor den Wahlen im Herbst 2011 seine Ruhe haben wollte. Auf keinen Fall sollte eine Ausschreibung der S-Bahn im Wahlkampf diskutiert werden, denn Marktwirtschaft ist bei einem nicht geringen Teil der Einwohner in der früheren DDR-Hauptstadt nach wie vor so beliebt wie eine vierfache Wurzelbehandlung ohne Betäubung. Dann hat man ein Modell aus dem Hut gezaubert, für das schlaue Leute zwar viel Geld gekriegt haben, das aber juristisch fragwürdig ist und darüber hinaus von Anfang an zum Ziel hatte, Wettbewerbsbahnen zu vergraulen. Dass ein Regierender Bürgermeister, also der Mann, der in seriösen Bundesländern Ministerpräsident genannt würde, offen fordert, einen Vergaberechtsverstoß zu begehen, ist schon ein starkes Stück.

Nun verliert man wieder mehrere Jahre und es steht schon fest, dass die einzige Chance, ein bislang noch nie da gewesenes Chaos zu vermeiden, ein Gnadenakt des Eisenbahnbundesamtes ist. Natürlich ist das im Bereich des Möglichen. Wahrscheinlicher ist, dass die CDU zu den nächsten Wahlen mit Margot Honecker als Spitzenkandidatin auftritt, aber ausschließen kann man das nicht. Und anstatt jetzt bereits Maßnahmen zu ergreifen, etwa indem man Züge anschafft, die man dann an den Betreiber verkauft, vermietet oder sonst was, lässt man das einfach auf sich zukommen. Wer Dienstwagen und Fahrer hat, sieht die Sache entspannt. Ja, es gibt Gründe die dagegen sprechen, dass der Aufgabenträger das Rollmaterial auf seine Kosten anschafft. In Berlin hätte man vor einigen Jahren so argumentieren können, aber jetzt ist eine Notlage entstanden, auch wenn die Folgen daraus erst in fünf Jahren eintreten werden. Wenn man erst 2014 oder sogar noch später einen wirksamen Zuschlag erteilen kann, dann ist es zu spät.

Ganz zu schweigen davon, dass man sich ernsthaft die Frage stellen muss, ob hier nicht Marktabschottung durch die Hintertür betrieben wird. Denn die DB AG würde ja zunächst weiter fahren können. Andere Eisenbahnverkehrsunternehmen könnten nicht per Notvergabe, Auferlegung oder ähnlichem fahren, weil ihnen das Rollmaterial fehlt. Wenn jetzt die DB AG ihrerseits die Züge noch einmal flott macht und Investitionen tätigt, dann tut die das auch nicht einfach so.

Denn obwohl einige Leute es nicht wahrhaben wollen, aber die DB AG ist ein knallhart operierendes Wirtschaftsunternehmen, das nichts mit Gemeinnützigkeit zu tun hat, der Konzern ist nicht die Fortsetzung der Bundesbahn. Wenn die in ihre Züge investieren, dann muss das entweder die öffentliche Hand direkt zahlen, weil diese nämlich ein Interesse am Betrieb hat, die DB AG hat das nicht, oder aber es gibt wie auch immer geartete Formen von faktischen Direktvergaben. Wenn man an den Zügen noch was macht, dann hat man ja Zeit, dann wartet man ab, jetzt hetzt uns ja keiner mehr. Aber das ist falsch. Es gibt gute Gründe dafür, dass die S-Bahn wettbewerblich vergeben werden muss mit allem was da dran hängt: Losbildung, faire Chancen für jeden und ein Rechtsanspruch für den besten. Aber so einfach ist das nicht, denn es berlinert wieder.

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