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ÖV-Branche: Mentalitäts- vor Finanzierungsproblem

18.03.13 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Eines sei vorweg gesagt: Selbstverständlich hat die öffentliche Hand die Pflicht, für eine auskömmliche Finanzierung der deutschen Verkehrsinfrastruktur zu sorgen, auch für die Schiene. Bei öffentlichen Verkehrsmitteln kommt hinzu, dass auch die konsumtiven Ausgaben gedeckt werden müssen, denn auch diese werden dauerhaft nicht ohne öffentliche Zuschüsse auskommen. Die Forderung des VDV nach einer hundertprozentigen Betriebsfinanzierung durch die Nutzer mag umstritten sein, ist jedoch am Ende nicht realistisch. Wer Dienstwagen und Fahrer hat – und die meisten Entscheidungsträger in der Branche nutzen nur sehr selten öffentliche Verkehrsmittel – der kennt von den Problemen wenig.

Wenn die EVG über ein „ÖPNV-Bashing“ lamentiert, dann sollte man sich vielleicht einfach mal den Status Quo angucken. Wenn man am Hauptbahnhof eines Mittelzentrums nach 20 Uhr über 50 Minuten auf den Bus warten muss, der einen nach Hause bringt, wenn der ZOB weit abgelegen ist vom Hauptbahnhof, wenn Anschlüsse nicht aufeinander abgestimmt sind, dann liegen die Probleme nicht an tatsächlicher oder vermeintlicher Unterfinanzierung, sondern an bemerkenswerter Inkompetenz der Verantwortlichen. Natürlich wird einem nie jemand sagen „Wir wollen, dass die Anschlüsse schlecht sind“, alle werden immer zustimmen, dass solche Zustände verbessert werden müssen. Doch es bleibt bei warmen Worten. Wenn Lokalpolitiker unbedingt die Einstellung einer Regionalbahnlinie verhindern wollen, aber nicht in der Lage sind, einige Busse um zwei Straßen umzulegen damit man vernünftige Umstiegsmöglichkeiten schafft, dann muss man sich schon die Frage stellen, ob das alles überhaupt ernst gemeint ist.

Man sollte die Herrschaften, die ständig mehr Steuergelder für den ÖPNV fordern, dazu verdonnern, sechs Wochen lang jeden Tag mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit zu fahren. Dann werden die eine Menge Probleme erkennen, die man auch ohne Geld lösen kann. Die meisten ÖV-Bosse reden heute wie ein Blinder von der Farbe. Mit besseren Angeboten würde sich auch die gesellschaftliche Akzeptanz öffentlicher Verkehrsmittel erhöhen. Dann kann man über wichtige Finanzierungsvorhaben sprechen und auch über die Frage, welche Dinge prioritär sind.

Dazu gehört die so triviale wie wichtige Erkenntnis, dass der Erhalt bestehender Anlagen wichtiger ist als der Bau neuer Denkmäler, dass es eine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) sowohl für die nichtbundeseigene Eisenbahninfrastruktur und die kommunale nach BOStrab zugelassene Schieneninfrastruktur geben muss und man muss sich Gedanken um die finanzielle Belastung öffentlicher Verkehrsmittel machen: Der ÖPNV sollte komplett von der Ökosteuer befreit werden, denn deren Zweck ist ja gerade, Autoverkehr zu minimieren. Selbstverständlich hat der VDV mit seiner Forderung nach einer weiteren Befreiung von der EEG-Umlage recht. Nur dazu muss der ÖPNV ein anständiges Angebot auf die Beine stellen. Und hier gilt, wie so oft im Leben: Geld ist nicht alles. Das ist die zentrale Erkenntnis, die der ÖV-Branche bis heute fehlt.

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