Die Lobby besiegt die Vernunft
04.03.13 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Es gibt sicherlich eine ganze Menge Möglichkeiten, auch integrierte Eisenbahnmodelle in irgendeiner Form zu regulieren. Doch eine regulierte, jedoch integrierte Staatseisenbahn ist nichts anderes als ein Hilfskonstrukt, um mit allen Mitteln an einem Eisenbahnmodell festzuhalten, für das es keinen sachlichen Grund gibt. Natürlich, man kann sich für eine gemeinwirtschaftlich arbeitende integrierte Eisenbahn entscheiden. Das wäre dann das Modell Bundesbahn. Wer alt genug ist dürfte sich erinnern: Ein stilllegungswütiger Moloch, der einen Schaden angerichtet hat, den zu beheben noch Generationen dauern wird.
Wenn man sich aber für eine zugangsoffene Eisenbahn entscheidet, für bestellte gemeinwirtschaftliche Verkehre und für eine zumindest in Teilen unabhängige Infrastruktur, dann muss man sich schon die Frage stellen, was man mit einem integrierten Holding-Modell will. Welchen Mehrwert bringt es, außer dass die Pfründe einer kleinen Minderheit geschützt werden? Dass DB Regio sich aus Netzgewinnen ganze Verbände kaufen kann, die dann ihre Lobbyisten losschicken um für Direktvergaben zu trommeln? Und die durch fragwürdige Deals wie in Sachsen-Anhalt eine Rechtsgrundlage schaffen wollen, bei denen DB Regio Pauschalpreise inklusive Trassengebühren erhebt; und die angeschmierten Aufgabenträger glauben dann ernsthaft, sie würden ein gutes Geschäft machen?
Viele sprechen über die Frage, welche europapolitische Komponente es hat, wenn die niederländische Staatseisenbahn sich in Deutschland vor nationalen Stellen eine Wettbewerbspflicht einklagt. Man kann da lang und breit drüber diskutieren und nicht jeder ist ein Freund des vereinten Europas. Tatsache ist aber auch, dass die operativen Verluste von Abellio in Deutschland nicht durch Monopolgewinne aus dem niederländischen Eisenbahnnetz refinanziert werden, während die deutschen Aufgabenträger faktisch für die expansiven Tätigkeiten der DB AG in der ganzen Welt mitbezahlen müssen. Deswegen ist das Prinzip der chinesischen Mauern zwischen DB ML AG und DB Netz AG, das jetzt von der Kommission angestrebt wird, zumindest eine Minimallösung, denn so wird verhindert, dass die Netzgewinne anderweitig Verluste auffangen.
Die Renditen von DB Netz seien mit acht Prozent angemessen, heißt es oft. Nette Argumentation, aber wieso muss DB Netz „marktgerechte“ Renditen erzielen, DB Arriva oder DB Schenker aber nicht? Das zeigt die Mischkalkulationen im Konzern und welche Rolle das Netz dabei spielt. Das weiß auch unsere Bundesregierung, die sich einen Weltmeister aufbauen will, der im Ausland Präsenz zeigen soll ohne dass nennenswert Geld verdient werden muss. Dafür ist das „Brot- und Buttergeschäft“ da. Doch was die Gegner des intramodalen Wettbewerbs nicht sehen ist dass es auch einen intermodalen Wettbewerb gibt: Die Eisenbahn hat per definitionem strukturelle Nachteile, wenn ihre Infrastruktur dicke Rendite erzielen muss, die Straße aber bedarfsgerecht finanziert wird. Man stelle sich einmal vor, die deutsche Straßeninfrastruktur würde der größten LKW-Spedition des Landes gehören: Hoppla, das ist ja die Deutsche Bahn!