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Stuttgart 21: Wann kommt der Abbruch?

07.02.13 (Stuttgart, Verkehrspolitik) Autor:Niklas Luerßen

Am Montagabend wurde aus dem Bundesverkehrsministerium ein internes 15-seitiges Dossier bekannt. Demnach sowie anhand der Auswertung der Antworten der Deutschen Bahn (DB) auf die 134 Fragen des DB-Aufsichtsrates würde sich das Projekt Stuttgart 21 noch weiter verzögern, und zwar mindestens bis Ende 2024, falls sich die Genehmigungsverfahren weiterhin so in die Länge ziehen würden wie bisher. Außerdem wäre das Projekt für die DB nur dann wirtschaftlich, wenn der Eigenanteil der DB an den Mehrkosten weniger als 1,8 Milliarden Euro betrage. 

Über das weitere Vorgehen soll nun eine Sondersitzung des Aufsichtsrates entscheiden, denn viele Aufsichtsräte weigern sich, der DB sämtlich mögliche weitere Mehrkosten aufzubürden. Finanzierungspartner des Projektes sind unter anderem das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart. Beide erklären bisher kategorisch, dass sie sich an Mehrkosten oberhalb ihres vertraglichen Anteils am Kostendeckel in Höhe von 4,526 Milliarden Euro nicht weiter beteiligen werden.

Die vor einiger Zeit ins Spiel gebrachte sogenannte Sprechklausel aus dem Finanzierungsvertrag, nach der die Finanzierungspartner (neben Land und Stadt sind das zusätzlich die Region Stuttgart und der Flughafen) sich zusammensetzen und über die Verteilung der Mehrkosten beraten, will die DB indes doch nicht ziehen. Dies ergibt sich ebenfalls aus der Antwort der DB auf die Fragen des Aufsichtsrates. Demnach habe die DB die Rechtsposition juristisch durch die Wirtschaftskanzlei Freshfield Bruckhaus Deringer prüfen lasen. Demnach wäre eine gerichtliche Klärung dieser Klausel „wenig erfolgversprechend“.

Der Baden-Württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) lehnte unterdessen eine Diskussion über einen Ausstieg aus dem Projekt ab: „Wir eröffnen keine Ausstiegsdebatte“. Zudem fühle man sich weiterhin an das Votum der Volksabstimmung gebunden, bei der am 27. November 2011 eine Mehrheit gegen den Ausstieg des Landes aus der Mitfinanzierung gestimmt hatte. Allerdings bleibe es beim Kostendeckel, das heißt maximal 930,6 Millionen Euro seitens des Landes.

Bei der SPD äußerte sich ein führender Vertreter im Bund erstmals kritisch. Verkehrsexperte Uwe Beckmeyer: „Ich bin völlig geplättet, wenn ich lese, was die Stuttgarter Zeitung aufgedeckt hat. Die Berichte enthalten eine Vielzahl neuer Informationen, die so in keiner Weise bisher im parlamentarischen Raum bekannt waren. Auch Minister Ramsauer streitet die Echtheit der Dokumente aus seinem Haus nicht mehr ab. Die Aussagen des Ministers, das Papier stamme von der ‚untersten Ebene‘ seines Ministeriums, sind nicht mehr glaubwürdig. Das Dossier ist von ganz besonderer Güte, denn es beweist, dass das Parlament von der Bundesregierung und der DB AG an der Nase herumgeführt wurde“.

Für den Grünen-Chef Cem Özdemir müsse das Katz-und-Maus-Spiel beendet und alle Fakten offengelegt werden. „Eine Verzögerung bis zur Bundestagswahl ist für mich unvorstellbar. Gegen das, was da in Stuttgart passiert, verblasst der Berliner Flughafen BER ja geradezu“.

Die DB selbst hat unterdessen die Ausstiegskostenschätzungen der Gegner indirekt bestätigt: Nach DB-Angaben belaufen sich die bis Ende 2012 tatsächlich aufgelaufenen Projektkosten bei 430 Millionen Euro, davon entfallen 71 Millionen Euro auf die DB. Der Bahnvorstand bejahte in diesem Zusammenhang die explizite Frage eines Aufsichtsrates, ob es zutreffen würde, dass bei einem Projektstopp den Firmen nur die bis dahin tatsächlich entstandenen Kosten sowie ein entgangener Gewinn zustehen würde.

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