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Pro Bahn: Tief zerstritten bis handlungsunfähig

17.01.13 (Allgemein) Autor:Stefan Hennigfeld

Bereits seit längerer Zeit drängt aus dem Fahrgastverband Pro Bahn heraus, dass der Verein zutiefst gespalten und zerstritten ist. Schon immer gab es zwei Lager: Während die einen stets zurück zur Bundesbahn wollten und ihr Heil in staatswirtschaftlichen Konstrukten suchten, wollten sich die anderen der Eisenbahnreform öffnen und diese ausgehend von den Verbesserungen konstruktiv begleiten.

Karl-Peter Naumann (62), von 1996 bis 2012 Erster Vorsitzender des Bundesverbandes, gehörte stets zur letztgenantnen Gruppe. Jahrzehntelang kämpfte er unbeirrt für die Rechte der Verbraucher und nahm dabei auch persönliche gerichtliche Auseinandersetzungen mit dem früheren Bahnchef Hartmut Mehdorn in Kauf. Doch genau die Person Naumann ist es jetzt, die den Verband spaltet: Nachdem sein Arbeitgeber seine Stelle im vergangenen Jahr strich – Naumann ist hauptberuflicher Chemiker – ging er auch im Eisenbahnsektor auf Jobsuche.

Was für viele ein ganz normaler Vorgang ist, verursachte verbandsintern großes Murren. Auf einmal witterten Leute ihre Chance, die bislang allenfalls auf Landesebene ihr eigenes Süppchen gekocht haben. Eine besondere Rolle spielte dabei stets der Landesverband Berlin/Brandenburg um Dieter Doege und Winfried Wolf. Wolf, der vor einigen Jahren gemeinsam mit Thilo Sarrazin in „Bahn unterm Hammer“ eine Hauptrolle hatte, tritt als Pressesprecher des Landesverbandes Berlin-Brandenburg auf, Doege ist der Vorsitzende.

Obwohl sie in der eigenen Region nicht ansatzweise so bedeutend sind wie der Berliner Fahrgastverband IGEB, haben sie sich tatkräftig an der Gründung des „S-Bahn-Tisches“ beteiligt, ein informeller Zirkel, der bei der S-Bahn Berlin eine Direktvergabe an die Deutsche Bahn fordert. Mit dabei sind auch Gruppierungen wie die „Deutsche Demokratische Arbeiterföderation“, „Gruppe Arbeitermacht“, „Kommunistische Initiative“, „Gruppe Volkssolidarität“ oder „Deutsche Kommunistische Partei“. Der S-Bahn-Tisch sammelt Unterschriften gegen eine Wettbewerbsvergabe – der Bundesverband unter Führung von Karl-Peter Naumann rief öffentlich dazu auf, dort nicht zu unterschreiben. Der Konflikt geriet an die Öffentlichkeit.

Als Anfang 2012 klar wurde dass Naumann eine neue berufliche Herausforderung sucht, kündigte er an, auf eine weitere Amtszeit zu verzichten. Die bislang unter der Oberfläche gehaltenen Machtkämpfe traten offen zutage. Der Flügel um Dieter Doege und Winfried Wolf versuchte mit Heiner Monheim und Karl-Dieter Bodack zwei Leute in den Bundevorstand zu bringen, deren Ausrichtung dem bisherigen Inhalt des Verbandes diametral gegenüberstand. Bodacks Kandidatur wurde jedoch durch Indiskretionen im Vorfeld bekannt, einige Wochen vor den Wahlen hat das Eisenbahnjournal Zughalt.de darüber berichtet.

Monheim kandidierte zunächst erfolglos als Bundesvorsitzender um dann als dritter Stellvertreter nach Naumanns Wunsch-Nachfolger Jörg Bruchertseifer und den langjährigen Vorstandsmitgliedern Alexander Drewes und Wilfried Karg doch noch in den Vorstand zu kommen. Bodack kam nicht in den Vorstand und das obwohl er erst kurzfristig vom bayerischen in den Berliner Landesverband gewechselt war, um eine Nominierung erhalten zu können.

Nur zehn Monate später hat Monheim den Vorstand im Streit wieder verlassen. In einem vorstandsinternen Manuskript, das dem Eisenbahnjournal Zughalt.de vorliegt, greift er Naumann scharf an und nennt ihn im Zusammenhang mit einer „gekauften Republik“. Deutschland als korrupter Schurkenstaat und Pro Bahn in persona Karl-Peter Naumann mittendrin; so zumindest Monheims Wahrnehmung. Ein gutes Verhältnis zwischen Pro Bahn und DB AG füge dem Verband demnach großen Schaden zu. Für den Fall dass Naumann in seiner beruflichen Zukunft in irgendeiner Form mit Pro Bahn zu tun habe, auch wenn es gemeinsam mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) passieren sollte, befürchtet Monheim, dass der Verband zum Selbstbedienungsladen werde.

Da Naumann, anders als Monheim, kein Professor an einer staatlichen Universität ist, muss er für seinen Lebensunterhalt selbst aufkommen. Monheim jedoch spricht von einer „Casa Naumann“ „Das hat mehr als ein Geschmäckle“. Er kritisiert vermeintliche „Geheimtreffen“ und steht dem Bundesverband nicht mehr zur Verfügung. Wie es weiter geht, lässt sich schwer abschätzen. Bruchertseifer, der von Anfang an eine Verlegenheitslösung war um Monheim und Bodack zu verhindern, scheint überfordert zu sein.

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