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Der zweite Tunnel muss kommen!

07.01.13 (Kommentar, München) Autor:Stefan Hennigfeld

Es hat noch nie ein Projekt der Deutschen Bahn gegeben, dessen Preis am Ende nicht deutlich höher lag als ursprünglich vorgesehen. In der Regel sind die Kosten-Nutzen-Koeffizienten schöngerechnet und wir alle wissen, dass derjenige, der das Gutachten bestellt, auch das Ergebnis vorgeben kann. Das sind keine Verschwörungstheorien, sondern alltägliches Geschäft – nicht nur im ÖPNV-Bereich. Die zweite Stammstrecke in München aber muss gebaut werden, auch wenn es am Ende teurer wird als erwartet. Bei Stuttgart 21 explodieren die Kosten, der Rhein-Ruhr-Express ist längst auf den St. Nimmerleinstag verschoben und selbst in Düsseldorf gibt der Minister zu, dass es bei einer „abgespeckten Version“ bleibt, während das Projekt „Knoten Köln“ seit Jahrzehnten auf dem Tisch liegt ohne dass man auch nur ein Stück weitergekommen wäre.

Von allen Großprojekten im deutschen Eisenbahnsektor ist die zweite Stammstrecke in München am wichtigsten. Das Projekt muss umgesetzt werden und es darf auf keinen Fall für kleinere Maßnahmen auf die lange Bank geschoben werden. An bestimmten S-Bahn-Stationen auch zusätzliche Regionalzüge halten lassen, die Sendlinger Spange bauen, das klingt alles gut – Pro Bahn sagt völlig zurecht, dass diese Einzelprojekte ihren Nutzen unabhängig vom zweiten Tunnel entfalten. Aber gerade deswegen braucht man beides. München ist eine der am stärksten prosperierenden Städte Deutschlands, in den nächsten Jahren wird die Bevölkerungszahl enorm ansteigen. Dazu muss der ÖPNV entsprechend angepasst werden und ein paar unkoordinierte Einzelmaßnahmen nach dem Prinzip „klein, billig, schnell“ sind zu wenig. Große Lösungen sind nicht per se falsch.

Aber vielleicht sollte man einen zweiten Punkt nicht außer acht lassen: Solange die Infrastrukturunternehmen der DB AG den Bau verzögern, ist die Situation nach einer Neuvergabe ab Dezember 2017 ungeklärt. Ein Risiko, das keine Wettbewerbsbahn ernsthaft auf sich nehmen kann. Dabei ist das Einsparpotential enorm. Brancheninformationen zufolge verdient DB Regio an der S-Bahn München heute zwischen 80 und 120 Millionen Euro im Jahr. Wenn man dann die horrenden Trassen- und Stationsgebühren hinzurechnet, muss man kein Wirtschaftsprüfer sein um zu merken, dass die ganze Nummer heute schon am Rande der Eigenwirtschaftlichkeit fahren könnte. Deshalb braucht man Transparenz für die nächsten Jahre und eine klar definierte Betriebssituation. Bei den Ausschreibungsersparnissen, die hier ermöglicht werden können, hat man das Geld ganz schnell wieder raus. Daran sieht man aber, wie vielfältig die Möglichkeiten des integrierten Konzerns sind, an unterschiedlichen Stellschrauben zu drehen und die für sich selbst beste Ausgangslage zu schaffen. Wer ein wenig hinter die Kulissen blickt stellt fest, was für ein absurdes Konstrukt der aus einer abgebrochenen Eisenbahnreform entstandene DB-Konzern ist und wie dringend die Trennung von Netz und Betrieb her muss.

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