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Verfehlte Kommunikationsstrategie der Bahn bei Stuttgart 21

13.12.12 (Kommentar, Stuttgart) Autor:Niklas Luerßen

Seit zehn Tagen wurde bereits in der Öffentlichkeit über Mehrkosten in Milliardenhöhen spekuliert. Am Mittwoch war die Stunde der Wahrheit: Der Bahnchef Rüdiger Grube und sein Infrastruktur- und Technikvorstand Volker Kefer mussten in der Aufsichtsratssitzung zum Rapport erscheinen. Dort die Gewissheit: Das Projekt werde um mindestens 1,1 Milliarden Euro teurer zuzüglich eines Risikopuffers in Höhe von 1,2 Milliarden Euro.

Dabei folgt der bisherige unprofessionell wirkende Umgang der Bahn mit diesem leidigen Thema „Kosten bei Stuttgart 21“ einer Kommunikationstradition im Stil der früheren DDR. Bereits in der Vergangenheit legte das Unternehmen nur dann Zahlen und Fakten auf den Tisch, wenn diese nicht mehr zu leugnen gewesen sind. Und selbst diese waren meist schon längst überholt. Aber eins kann die Bahn sehr gut: Schweigen, und zwar trotzig, wenn es mal irgendwo nicht so gut läuft wie gewünscht.

Die Denkweise bei der Bahn läuft ungefähr so: Soll man wirklich frühzeitig kommunizieren, dass man beim stark umstrittenen sogenannten Grundwassermanagement mehr als doppelt so viel Wasser abpumpen müsse? Warum sollen wir rechtfertigen, warum wir welche Ecke des Schlossgartens oder später des Rosensteinparks absperren und roden lassen, um anschließend dort nichts weiter geschehen zu lassen? Und was sagen wir zu der Tatsache, dass binnen eines Vierteljahres zum dritten Mal an exakt der selben Stelle ein Zug entgleiste; in zwei Fällen sogar exakt die selbe Zugfahrt?

Auch der Brandschutz, schon in der Schlichtung ein im wahrsten Sinne des Wortes heißes Thema, wurde kurz darauf Top-News aller wichtigen Medien. Bei der Bahn werden Vergleiche mit den derzeitigen Geschehnissen um den Berliner  Großflughafen kategorisch zurückgewiesen. Doch die Grundprobleme bei beiden  Projekten sind die schlechte Kommunikation, mangelnde Transparenz, Schweigen. Das ist auf Dauer tödlich für derartige Großprojekte.

In Stuttgart hingegen agiert die Bahn noch wie aus der Zeit, als die ersten relevanten Proteste aufkamen: Als gäbe es keinen Schwarzen Donnerstag (30. September 2010), als gäbe es keine Schlichtung, als gäbe es keine Landtagswahl und damit ein grünes Verkehrsministerium, welches konkrete Kostenzahlen einfordert, und schlussendlich, als gäbe es keinen Koalitionsvertrag sowie einen einstimmigen Kabinettsbeschluss, der Mehrkosten des Landes für das Projekt über den Kostendeckel hinaus ausschließt.

Normalerweise greift angesichts der obengenannten Mehrkosten, die um 2,3 Milliarden Euro oberhalb des Deckels von 4,526 Milliarden Euro liegen, nun die Sprechklausel. Doch deren Interpretation ist sehr umstritten, die Bahn sieht darin auch alle Partner in der Pflicht, sich daran zu beteiligen; das Land und die Stadt hingegen nur, dass man sich – salopp ausgedrückt – zusammensetzt und ein wenig plaudert. Deswegen will die Bahn zumindest die Kernkostensteigerung von 1,1 Milliarden Euro Euro selber tragen, für den Risikopuffer in Höhe von 2,3 Milliarden Euro jedoch auch die Finanzierungsvertragspartner ins Boot holen. Zeit wird es, dass die Bahn ihre Kommunikationsstrategie ganz dringend ändert, und zwar – wie sie in der Schlichtung vollmundig versprochen hatte – „alle Fakten auf den Tisch“. Denn nun sind es nicht mehr nur noch die sogenannten hartgesottenen Gegner, die beständig glauben: Auch die derzeit auf dem Tisch liegenden Gesamtkosten von 6,8 Milliarden Euro reichen bei weitem nicht aus.

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