Eisenbahnjournal Zughalt.de

Nachrichten über Eisenbahn und öffentlichen Verkehr

Massive Mehrkosten bei Stuttgart 21 – VCD, BUND und Die Linken fordern sofortige Beendigung des Projekts

06.12.12 (Stuttgart, Verkehrspolitik) Autor:Niklas Luerßen

Nach aktuellen Berechnungen der Deutschen Bahn (DB) wird beim sogenannten „bestgeplantesten Projekt in der deutschen Eisenbahngeschichte“ mit massiven Kostensteigerungen gerechnet. Aus unternehmensnahen Kreisen heißt es, dass beim zuletzt mit knapp 4,5 Mrd. Euro veranschlagten Projekt „drastische“ Mehrkosten anfielen. Wenn es bei einer Milliarde Euro bliebe, könnten alle Beteiligten froh sein.

Erstmals hatte die Bild am Sonntag über eine Kostenexplosion von bis zu einer Milliarde Euro berichtet. Gründe seien Nachforderungen der Landesregierung, Fehlplanungen und unerwartete Probleme, vor allem aber zu optimistische Annahmen bei der Projektplanung und fehlende Puffer; also eine extrem krasse Fehlplanung. Außerdem würden bereits erste Firmen Nachforderungen stellen.

Im Umfeld des Aufsichtsrates heißt es dazu: „Angesicht der neuen Probleme bei Stuttgart 21 wird die Vertragsverlängerung von Bahnchef Rüdiger Grube, die auf der nächsten Sitzung beschlossen werden soll, ein heißer Ritt“. Am 12. Dezember tagt turnusmäßig der Aufsichtsrat der Bahn, dort sollen die Mitglieder vor allem über die Kostenentwicklung beim Projekt „Stuttgart 21“ informiert werden. Dabei wird, erstmals in der Geschichte der DB, die Angelegenheit als so brisant eingestuft, dass den Mitgliedern zur Vorbereitung der Sitzung keine Unterlagen vorab zur Verfügung gestellt werden – zumindest in denen Stuttgart 21 irgendeine Rolle spiele. Zu groß ist die Angst, dass im Vorfeld etwas nach außen dringt.

Abonnenten lesen den ausführlichen Artikel in der aktuellen Ausgabe unseres Newsletters.

 

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) fordert unterdessen wegen der neuerlichen Kostenexplosion bei Stuttgart 21 die Aufgabe des Projekts. Die Bahn habe bereits im Jahr 2009 intern mit Gesamtprojektkosten in Höhe von 4,9 Mrd. Euro gerechnet, während man offiziell im Finanzierungsvertrag einen Kostendeckel in Höhe von 4,5 Mrd. Euro vereinbart habe. VCD-Landesvorsitzender Matthias Lieb: „Doch stattdessen wurden durch wundersame Optimierungen angebliche Einsparungen von rund 800 Millionen Euro ermittelt. Heute zeigt sich, dass diese Luftnummer nur dazu gedient hatte, das Projekt vermeintlich unumkehrbar zu machen.“

Damit habe man den Aufsichtsrat der DB, die Projektpartner und vor allen Dingen die Öffentlichkeit über die wahren Kosten gezielt getäuscht. Lieb: „Nachdem die bisherigen Baumaßnahmen kaum mehr als eine Aneinanderreihung von Pleiten, Pech und Pannen waren und die DB sich damit als Bauherrin für ein hochkomplexes Tunnelprojekt selbst disqualifiziert hat, ist es nunmehr an der Zeit, dass der Aufsichtsrat das gesamte Projekt Stuttgart 21 stoppt, bevor noch mehr Fahrgäste und auch die Bilanzen der DB AG weiteren Schaden nehmen.“

Abonnenten lesen die ausführliche Position des VCD in der aktuellen Ausgabe unseres Newsletters.

 

Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) fordert einen vollständigen Stopp des Milliardengrabes. Die BUND-Landesvorsitzende Dr. Brigitte Dahlbender kommentiert angesichts der Berichte über massive Kostensteigerungen beim Projekt Stuttgart 21 wie folgt: „Noch ist es nicht zu spät, die Reißleine zu ziehen und ,Stuttgart 21‘ zu stoppen. Wir brauchen in Baden-Württemberg kein Projekt wie die Elbphilharmonie oder den Berliner Flughafen! Was wir stattdessen brauchen, ist eine Denkpause und ein vorläufiger Baustopp, um Klarheit über die tatsächliche Kostensituation zu gewinnen.“

Dahlbender verweist darauf, dass nicht die Projektgegner für steigende Kosten verantwortlich sind, sondern das Planungschaos bei der Bahn. Die Bahn habe weder den Brandschutz noch das Grundwassermanagement oder die Planung auf den Fildern im Griff. Das angeblich bestgeplante Projekt entpuppe sich als finanzielles Abenteuer mit offenem Ausgang. Die übliche Strategie der Bahn – vertuschen und verheimlichen, bis ein Sachverhalt nicht mehr geleugnet werden kann – müsse ein für alle Mal gestoppt werden.

Abonnenten lesen die ausführliche Position des BUND in der aktuellen Ausgabe unseres Newsletters.

 

Auch die Linken im Bundestag fordern den Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) zum sofortigen Stopp von Stuttgart 21 auf. So äußerte der baden-württembergische Bundestagsabgeordneter der Partei DIE LINKEN, Michael Schlecht: „Bevor noch mehr Schaden entsteht, muss Minister Ramsauer das Bahnprojekt Stuttgart 21 jetzt stoppen. Wenn Mehrkosten von bis zu einer Milliarde anstehen, ist das Projekt nicht mehr finanzierbar.“

Schlecht weiter: „Grundlage des Projekts ist ein maximaler Kostenrahmen von 4,5 Mrd. Euro. Dies war auch immer das Versprechen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern im Zusammenhang mit der Volksabstimmung vor einem Jahr. Mit den jetzt im Raum stehenden Mehrkosten von bis zu einer Milliarde Euro ist dieser Kostenrahmen gesprengt. Die Vertragspartner Land und Stadt haben immer kategorisch erklärt, dass sie sich nicht an Mehrkosten beteiligen. Bahn und Bund können diese nicht alleine aufbringen. Damit bewegt sich Stuttgart 21 jetzt außerhalb jeglicher ökonomischen Rationalität; das Projekt droht zu einem irrwitzigen Tempel der Verschwendungssucht zu werden.

Deshalb fordere ich Minister Ramsauer auf, die Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat der Bahn so zu instruieren, dass sie auf der Sitzung des Kontrollgremiums am 12. Dezember für eine sofortige Beendigung von Stuttgart 21 sorgen.“

Kommentare sind geschlossen.