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Interview mit VBB-Chef Hans-Werner Franz (Teil 3): Die Interessen mit dem VDV stimmen nicht überein

06.12.12 (Berlin, Brandenburg) Autor:Stefan Hennigfeld

Hans-Werner Franz (61) steht dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) seit dem 1. November 2003 als Alleingeschäftsführer vor. In seine Amtszeit fallen die größte SPNV-Ausschreibung, die es in Deutschland je gab, das Chaos der Berliner S-Bahn und der Austritt aus dem VDV. Mit dem Eisenbahnjournal Zughalt.de sprach er über die aktuelle Situation in Berlin und die Probleme, die er für die Zukunft sieht.

Es gibt Bestrebungen, etwa des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), der nordrhein-westfälischen Landesregierung oder der DB Regio AG, das Allgemeine Eisenbahngesetz zu ändern, um Direktvergaben wieder zu ermöglichen. Wie stehen Sie dazu?

Ich persönlich stehe Direktvergaben, sieht man von den Notsituationen ab, die das deutsche Vergaberecht heute schon vorsieht, sehr skeptisch gegenüber. Bei Eigenbetrieben ist das in Ordnung, wenn der Aufgabenträger diese, wie von der Europäischen Union definiert, kontrollieren kann wie eine eigene Dienststelle, aber Direktvergaben an gewinnorientierte Privatunternehmen halte ich für falsch. Es ist wirtschaftlicher und für die Qualität besser, wenn wir einen vernünftigen Wettbewerb durchführen.

Das bedeutet, Sie lehnen dieses Gesetzesänderungsvorhaben ab?

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Inwieweit hat diese Forderung des VDV damit zu tun, dass Sie den Verband vor zwei Jahren verlassen haben?

Damit hat es nichts zu tun. Es hat damit zu tun, dass die Mehrheit der Mitglieder davon leben, dass ihr Aufgabenträger, der zugleich Gesellschafter ist, die Verkehrsleistungen direkt an sie vergeben. Da sieht man es als gute Option an, die Direktvergabe auch im SPNV zu ermöglichen. Man muss dazu sagen, dass die Deutsche Bahn AG ja auch ein sehr gut zahlendes Mitglied des VDV ist. Meinen Informationen zufolge finanziert die DB AG etwa ein Fünftel des Gesamtbudgets des Verbandes – da ist doch unzweifelhaft, welche Inhalte da vertreten werden. Abonnenten lesen Hans-Werner Franz´ ausführliche Antwort in der aktuellen Ausgabe unseres Newsletters.

Die Informationen über den Anteil der DB AG an der VDV-Finanzierung schwanken zwischen 15 und 35 Prozent.

Es ist in jedem Fall ein bedeutender Anteil. Ein nicht geringer Teil der VDV-Beschäftigten wird direkt von der Deutschen Bahn AG finanziert. Das kann man auf jeden Fall sagen. Deshalb sehe ich nicht, dass der VDV die Interessen der Aufgabenträger vertritt. Abonnenten lesen Hans-Werner Franz´ ausführliche Antwort in der aktuellen Ausgabe unseres Newsletters.

Aber von 27 Aufgabenträgern sind nur Sie ausgetreten.

Von den reinen Aufgabenträgern sind nur einige wenige Mitglied im VDV. Weder der Hamburger Senat, der die SPNV-Bestellung selbst wahrnimmt ist Mitglied, noch die NV.BW oder die BEG. Zahlreiche ostdeutsche Aufgabenträger sind nicht Mitglied, sieht man von einigen sächsischen Bestellern ab. Dass andere dort vertreten sind, wie z.B. der RMV oder der VRR liegt auch daran, dass diese eine Doppelfunktion haben: Sowohl SPNV-Aufgabenträger als auch Verkehrs- und Tarifverbund.

Für uns war die Frage, wessen Interessen dieser Verband vertritt. Ich hatte mich im VDV-Verwaltungsrat bemüht, darauf hinzuwirken, den Verband zum Branchenverband auszubauen, musste aber feststellen, dass die wichtigen Entscheidungen allein die Interessen der Verkehrsunternehmen berücksichtigt haben und unsere Interessen als Aufgabenträger keine Rolle spielten. Dazu kam, dass dieser Verband einen nicht unerheblichen Beitrag nimmt. Das waren für uns knapp 50.000 Euro im Jahr und wir versuchen, unsere Mittel so effizient wie möglich zu verwenden. Für 50.000 Euro können wir z.B. einen hochqualifizierten Verkehrsplaner einstellen.

Wir sind engagiert in der BAG SPNV, auf europäischer Ebene sind wir im Verband der Aufgabenträger europäischer Metropolregionen (EMTA) engagiert, weil wir mit Regionen wie Madrid, Barcelona oder Montréal sehr viele Gemeinsamkeiten haben. Berlin hat in dieser Frage einfach mehr Ähnlichkeiten mit anderen Metropolen als etwa mit Fulda oder Schweinfurt.

Der deutsche ÖPNV war mal führend in Europa, mittlerweile sind andere besser. Das muss sich wieder ändern. Abonnenten lesen Hans-Werner Franz´ ausführliche Antwort in der aktuellen Ausgabe unseres Newsletters.

Wie sehen Sie die Infrastruktursituation im SPNV? Martin Husmann, Norbert Reinkober, Fritz Czeschka und auch einige andere schlagen Alarm, dass die Infrastrukturgebühren den Aufgabenträgern mehr und mehr Liquidität entzieht. Was sagen Sie dazu?

Es ist völlig unbegreiflich, wieso die zu hundert Prozent im öffentlichen Eigentum stehende DB Netz AG jedes Jahr mehrere hundert Millionen Euro Gewinne an den Mutterkonzern abführen muss. Dieser kann die Gewinne frei verwenden und geht dann weltweit auf Einkaufstour. Man baut einen neuen Logistikkonzern auf, finanziert aus Monopolgewinnen aus der Infrastruktur. Abonnenten lesen Hans-Werner Franz´ ausführliche Antwort in der aktuellen Ausgabe unseres Newsletters.

Teilen Sie die These, dass die Bahndividende eine faktische Senkung der Regionalisierungsgelder ist?

Mit Sicherheit. Bei den Einnahmen der Infrastruktursparten des DB-Konzerns stammen etwa zwei Drittel der Einnahmen direkt aus den SPNV. Dort werden Gewinne generiert. Das bedeutet, dass aus den Regionalisierungs- und Infrastrukturgeldern die Bahndividende finanziert wird, zumindest zu einem großen Anteil.

DB Fernverkehr kommt mit viel gutem Willen auf eine schwarze Null, aber auch da darf man dann nicht in die Tiefe gucken. DB Schenker schreibt seit Jahren Verluste, da sind auch im ersten Halbjahr 2012 keine Gewinne zu sehen. Die Gewinne stammen von DB Regio und DB Netz. Deshalb ist die These, dass ein erheblicher Teil des Gewinns des DB-Konzern vom Steuerzahler finanziert wird.

Es gibt Forderungen, dass man die Regionalisierungsgelder von den Trassenpreisen entkoppelt. Sie würden nominal weniger Geld erhalten, allerdings müssten Sie auch keine Infrastrukturgebühren mehr zahlen. Hier müsste sich der Bund mit seiner DB Netz AG gesondert auseinandersetzen. Diese Forderung wurde ursprünglich von Fritz Czeschka erhoben und dann von Norbert Reinkober unterstützt. Auch VDV-Eisenbahngeschäftsführer Martin Henke hält den Vorschlag für „diskutabel“ und selbst Heinrich Brüggemann von DB Regio sieht „ganz viel richtiges“ daran. Wie sehen Sie das?

Ich habe damit Probleme. Bisher hat die Bundesregierung ihre Steuerungsfunktion nicht ausreichend wahrgenommen. Heute schon ist es de facto so, dass die Verwendung der Gelder für die Eisenbahninfrastruktur nicht durch die Bund, sondern durch die DB AG festgelegt wird. Schienenpolitik in Deutschland entspricht häufig der Unternehmenspolitik der Deutschen Bahn AG. Wenn man diesen Bereich jetzt noch ausdehnt und nur noch die DB AG machen lässt, dann sehe ich das sehr kritisch.

Ich bin der Auffassung, dass wir eine Trennung von Netz und Betrieb brauchen. Die Infrastruktur muss transparent finanziert werden. Es kann nicht sein, dass sich die Interessen der Infrastruktur- und Verkehrsbetreiber unter dem Dach eines Konzerns überschneiden. Die Mittelverwendung muss öffentlich diskutiert und politisch entschieden werden. Wo wird investiert, wo werden Engpässe beseitigt und was ist prioritär? Unter dem Dach der DB AG werden die Interessen der Infrastrukturunternehmen und der Verkehrsunternehmen schon deshalb vermengt, weil viele Leute hier Doppelmandate haben, sie sind sowohl für den Infrastruktur- als auch für den Verkehrsbereich zuständig. Es kann nicht sein, dass das Konzerninteresse wichtiger ist als das Interesse der Infrastrukturbetreiber.

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Da bleibt die Frage, was mit dem SPFV passiert?

Auch hier lehne ich einen Gegensatz zwischen SPNV und SPFV ab. Wir brauchen beides und aus diesem Grund ist der Bund in der Pflicht, hier Fernverkehrsleistungen zu bestellen. Die Auffassung, dass per definitionem überall dort kein Fernverkehrsbedarf vorhanden sei, wo die DB AG nicht eigenwirtschaftlich fahren will, ist inakzeptabel.

Hier in Berlin ist die nächste Stadt mit über 200.000 Einwohnern Stettin mit über 400.000 Einwohnern. Diese hält die DB AG für nicht fernverkehrswürdig. Ja was ist denn dann fernverkehrswürdig? Natürlich muss eine solche Stadt im Takt angebunden sein. Da fehlen dreißig Kilometer Fahrdraht, natürlich muss diese Lücke geschlossen werden. Die DB AG lehnt das ab, weil man keinen ausreichenden Gewinn machen kann. Abonnenten lesen Hans-Werner Franz´ ausführliche Antwort in der aktuellen Ausgabe unseres Newsletters.

Das Gespräch führte Stefan Hennigfeld

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Bild: Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg

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