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Gegner von Stuttgart 21 präsentieren Konzept zur Minimierung der Ausstiegskosten

07.12.12 (Kommentar, Stuttgart) Autor:Niklas Luerßen

Da nach Meinung vieler Gegner infolge der massiven Kostenexplosionen beim Projekt Stuttgart 21 der letzten Tage ein Ende des Projekts näherrücken könnte, rücken die Ausstiegskosten wieder in den Blickpunkt wie zuletzt bei der Volksabstimmung vor über einem Jahr. Einige Bahnkreise behaupten, dass Ausstiegskosten in Höhe von 2 Mrd. Euro anfallen würden und es daher trotz der aktuellen im Raume stehenden Kosten von 6 Mrd. Euro besser sei, das Projekt dennoch fortzusetzen. Fachleute auf Gegnerseite haben nun durch geschickte Migration von bereits in Bau befindlichen S 21-Projektteilen in das Kopfbahnhofskonzept die Ausstiegskosten auf weit unter einer Milliarde Euro gedrückt.

Bei der Konzeption wurden vier Hauptbausteine von Stuttgart 21 betrachtet. Hauptvoraussetzung für die Minimierung der Ausstiegskosten sei es jedoch, dass alle Beteiligten, also insbesondere Bahn und Politik, „ihre Spielchen sofort einstellen und konstruktiv zusammenarbeiten“ würden.

1. Sulzbachtalviadukt bei Denkendorf

Die Bauarbeiten für dieses Bauwerk sind vergeben, die Bauarbeiten haben begonnen. Nach dem Aus für Stuttgart 21 könnte sofort die Alternativplanung vorangetrieben und fertiggestellt werden. Diese Alternativplanung sieht eine Express-S-Bahn vom bestehenden Flughafenbahnhof entlang der Autobahn nach Wendlingen (Umsteigemöglichkeit in Richtung Tübingen und Kirchheim) und weiter nach Plochingen (Umsteigemöglichkeit in Richtung Ulm und Esslingen) vor. Diese Express-S-Bahn würde ebenfalls das Sulzbachtalviadukt benötigen.

Bauherr und Finanzier für die Express-S-Bahn ist gemäß den derzeit geltenden Zuständigkeiten der Verband Region Stuttgart (VRS). Der Löwenanteil der Kosten für die Express-S-Bahn wird jedoch im Rahmen einer Sonderzuwendung finanziert, die vom Land kommt. Diese Sonderzuwendung wird aus den Mitteln finanziert, die das Land bisher für Stuttgart 21 reserviert hat. Die Sonderzuwendung ist gerechtfertigt, weil die Express-S-Bahn die Anbindung des Landesflughafens und der Landesmesse an das Bahnnetz von Baden-Württemberg entscheidend verbessert. Diese Finanzierung wäre damit, ganz im Gegensatz zur Finanzierung von Stuttgart 21, verfassungskonform.

2. Unterirdisches Technikgebäude beim Kopfbahnhof

Das Technikgebäude wird derzeit gebaut. Dieses würde jedoch bei einer Beibehaltung und Sanierung des Kopfbahnhofs ebenfalls gebraucht, weil dies die Sanierung erleichtern würde. Im Rahmen der „ureigensten Aufgabe der Bahn“, den Bahnhof zu sanieren, hätte die Bahn dieses Gebäude also sowieso bauen müssen, somit können die Kosten für Vergabe und Bau des Technikgebäudes nicht als Ausstiegskosten gerechnet werden.

3. Seitenflügel, Dach, Gleisvorfeld

Man hätte die Seitenflügel nicht unbedingt abreißen müssen, doch dies lässt sich nun nicht mehr ungeschehen machen. Allerdings hätte man sie ohnehin sanieren und modernisieren müssen. Da man sie dann nun wiederaufbauen müsse, genügen sie wenigstens modernen Ansprüchen und hätten eine neue Lebensdauer von wiederum hundert Jahren.

Da das Dach eigentlich nur ein Nachkriegsprovisorium war, hätte man es sowieso erneuern müssen. Damit könnten auch die mit dem Dach verbundenen Kosten nicht als Ausstiegskosten gerechnet werden.

Das Gleisvorfeld wurde im Rahmen des Umbaus modernisiert und stabilisiert und als „vorbereitende Maßnahme“ für Stuttgart 21 umgebaut. Dies hätte man aber auch machen müssen, wenn man den Kopfbahnhof modernisieren wollen würde. Der Umbau habe jedoch gleichzeitig gezeigt, dass man den Kopfbahnhof und das Gleisvorfeld sanieren könne, ohne dass dies zu Betriebsbeeinträchtigungen sowie Belästigungen führen würde – wenn man dies richtig planen und bauen würde.

4. Grundstückskosten

Ein großer Teil der angesetzten Ausstiegskosten aus Stuttgart 21 beinhaltet die Rückzahlungen der Bahn an die Landeshauptstadt Stuttgart im Rahmen der Rückabwicklung der von Stuttgart vorzeitig getätigten Grundstückskäufe im Jahre 2001 einschließlich der Zinszahlungen.

Diese Rückzahlungen sind nur zu einem kleinen Teil als Ausstiegskosten verbuchbar. Die Grundstücke des D-Gebiets (Gäubahn) hätten auch bei einer Verwirklichung von Stuttgart 21 rückabgewickelt werden müssen, da die Gäubahn ja weiterhin gefahren oder zumindest benutzbar geblieben wäre – gemäß dem Schlichterspruch sowie des gewünschten Notfallkonzepts der Region Stuttgart in der Regionalversammlung. Diese Rückabwicklung hatte auch der neue Stuttgarter OB Fritz Kuhn bereits kurz nach seiner Wahl angekündigt.

Die C-Gebiete können auch ohne Stuttgart 21 bebaut werden. Diese Grundstücke müssten somit nicht rückabgewickelt werden. Beim B-Gebiet könnte ein Teil der Flächen bei der Landeshauptstadt Stuttgart verbleiben, denn der bestehende Abstell- und Wartungsbahnhof könnte auf jeden Fall verkleinert werden, da das dezentrale Abstellkonzept (z.B. in Tübingen) auch mit dem Kopfbahnhof umgesetzt werden kann. Die nicht mehr benötigte Fläche wird dem Rosensteinpark zugeschlagen. Für das A-Gebiet (Gleisvorfeld) kann die zukünftige Möglichkeit einer teilweisen Überbauung vorgesehen werden, so dass auch für dieses Gebiet ein Teil der Grundstückskosten nicht zurückgezahlt werden muss.

Bei dem Rest hätte das Gleisvorfeld zum Teil auch bei Stuttgart 21 erhalten bleiben müssen, denn gemäß dem Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG) und nach bisheriger ständiger Rechtsprechung hätten die Gleisanlagen im Falle mindestens eines Übernahmeinteressenten für die Infrastruktur (den gibt es aktuell mindestens in Form der Stuttgarter Netz AG (SNAG))  bzw. für den Betrieb von Mitbewerbern der Bahn erhalten bleiben müssen.

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