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Auch der kommunale Verkehr braucht Wettbewerb

03.12.12 (Baden-Württemberg, Kommentar, Verkehrspolitik, VRR) Autor:Stefan Hennigfeld

Eine Ausschreibung gefährdet das Karlsruher Modell. Es warnt der KVV und gibt sich als vermeintlich unabhängige, übergeordnete und neutrale Institution. KVV und AVG haben denselben Sitz und mit Walter Casazza denselben Geschäftsführer. Allein die Tatsache, dass das verschwiegen wird, macht die Argumentation manipulativ und unglaubwürdig. Hier geht es einigen Leuten um ihre Pfründe und nicht darum, dass sie ernsthaft ein Wirrwarr an Zuständigkeiten oder sonst etwas in der Art befürchten. Wieso sollte Wettbewerb bei Zweisystemstadtbahnen auch nicht möglich sein? Oder welchen Grund gibt es überhaupt für Inhouse-Direktvergaben? Kleiner Tipp: Dass sich kommunale Verkehrsbetriebe als Schattenhaushalte nutzen lassen, zählt dabei ebenso wenig wie die Postenversorgung verdienter Genossen und Parteifreunde. Wenn man genauer hinsieht stellt man jetzt schon fest: Kommunale Verkehrsbetriebe sind ein Relikt vergangener Zeiten, als der ÖPNV keine Rolle in der Verkehrspolitik spielte.

Zweisystem-Triebzüge kann man kaufen. Es dürfte sie mit leichten Abwandlungen sogar problemlos von der Stange geben. Straßenbahnen sind längst standardisiert und unterscheiden sich nur in Nuancen voneinander. Das liegt an der Fahrzeugindustrie: Schließlich muss diese ihre Investitionen so wirtschaftlich wie möglich tätigen. Das ist der Unterschied zwischen einem privaten Hersteller und einem öffentlichen Verkehrsunternehmen: Der Hersteller gibt sein eigenes Geld aus, das Verkehrsunternehmen gibt das Geld der Steuerzahler aus. Deshalb will jeder Dorfschulze seine Exklusiv-Züge haben, während die Fahrzeugindustrie bemüht ist, die Vereinheitlichung so stark es geht voranzutreiben – unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts. Natürlich war ein Silberling Baujahr 1960 zu einem Silberling Baujahr 1980 kompatibel, aber nur weil die Behördenbahn sich jeder Innovation verweigert hat. Das ist heute anders, zum Glück.

Selbstverständlich lässt sich eine Variobahn, eine Flexity, eine Tramino oder Combino ohne weiteres mit einer Ausrüstung für EBO-Strecken liefern. Übrigens wurden bereits handelsübliche Bombardier Flexity Swift mit Doppelzulassung bestellt und auch ausgeliefert. So wie sich diese Plattformen auch ohne weiteres als Einrichtungs- oder Zweirichtungsfahrzeuge, als Meter-, Regel- oder Breitspurzüge liefern lassen oder mit verschiedenen Formen der Stromzufuhr: Ob eine Oberleitung oder eine seitlich bestrichene Stromschiene. Übrigens: Dass die aktuellen Triebwagen der Wuppertaler Schwebebahn mit denen der U-Bahnen u.a. in München und Nürnberg fast baugleich sind, liegt daran, dass die Hersteller eben doch eine andere Beziehung zum Geld haben als Stadtwerkekonzerne. Denn so groß ist der Unterschied zwischen der Wuppertaler Schwebebahn und einer konventionellen U-Bahn dann doch nicht. Von besonderen betrieblichen Herausforderungen braucht niemand was zu erzählen. Was also spricht gegen eine Wettbewerbsvergabe?

Aktuell wird in Karlsruhe über Unterkapazitäten, Verspätungen und Ausfälle diskutiert. Ein unangenehmes Thema, aber: Welche Möglichkeiten hat ein kommunaler Aufgabenträger bei fortgesetzten Schlechtleistungen ökonomischen Druck auf das Verkehrsunternehmen auszuüben, wenn er zugleich Gesellschafter ist. Gar keine! Theoretisch kann er natürlich versuchen, Einfluss auf die Unternehmensabläufe zu nehmen, denn Voraussetzung für eine Inhouse-Direktvergabe ist schließlich, dass der Aufgabenträger das Unternehmen kontrollieren kann, wie eine eigene Dienststelle. Wer jedoch weiß, wie im öffentlichen Dienst gearbeitet wird und welches Eigenleben die Verwaltung entwickeln kann, dem wird schnell klar, dass das völlig unrealistisch ist.

Im Gegenteil: Es ist vielfach sogar so, dass der kommunale Eigenbetrieb mit seinem eigentlichen Kerngeschäft nicht mehr viel zu tun hat. So passiert es durchaus regelmäßig, dass der gesamte Fahrbetrieb in eine eigens dafür gegründete GmbH ausgegliedert wird. Das Unternehmen, das die Direktvergabe hat, wird somit zur reinen Verwaltungseinheit. Oft wird ein nicht geringer Teil der Betriebsleistungen sogar extern von privaten Subunternehmen gefahren. Im Klartext bedeutet das: Weil die Eigenbetriebe nicht wirtschaftlich genug sind, müssen sie andere fahren lassen, die das besser können. Dabei haben die kommunalen Big Player eigentlich durch ihre Größe nur Vorteile: Die Werkstätten sind besser ausgelastet, die Anschaffungskosten für Busse sinken aufgrund der höheren Abnahmemenge, auch der Kraftstoff ist dann weniger kostenintensiv. Trotzdem ist es zu teuer, selbst zu fahren. Irgendwas stimmt doch im ganzen System nicht.

Dabei verhält sich der Eigenbetrieb oftmals wie ein Aufgabenträger: Er schreibt Nahverkehrspläne, definiert das Angebot und verwaltet ein festes Budget, das von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellt wird. Den Betrieb machen dann eigene Fahrdienstgesellschaften oder private Subunternehmen. Um es auf die Spitze zu treiben: Eine Stadtwerke-GmbH erhält die Direktvergabe und einen Etat zur Planung von Verkehrsleistungen. Daraufhin wird die eigene Fahrbetriebs-GmbH mit den Subunternehmen in den Wettbewerb gestellt. Alternativ aber werden die Subunternehmer-Aufträge nach dem Amigo-Prinzip vergeben. Für Vettern- und Günstlingswirtschaft sind Tür und Tor geöffnet. Die Inhouse-Vergabe ist dabei inhaltlich vollständig entleert. Was also spricht gegen Wettbewerb, außer dass man sich die Pfründe sichern will?

Ein aktuelles Beispiel: Die Essener Verkehrs AG, die ihren Betrieb längst outgesourct hat, beklagte sich jüngst öffentlich in einer Regionalzeitung darüber, dass es einen gefälschten Facebook-Auftritt gäbe. Also neben dem offiziellen auch noch einen zweiten, der von Witzbolden ins Leben gerufen und eingerichtet worden ist. Vor einigen Monaten hat die EVAG die Netzgemeinschaft gegen sich aufgebracht, als man einen Twitter-Nutzer via Internet bedroht hat. Das zeigt zunächst zunächst einmal, dass die Internetaktivitäten augenscheinlich nicht besonders professionell verwaltet werden. Doch unabhängig davon stellt sich die Frage, wozu eine Stadtwerke-Tochter, die dazu da ist, Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge zu erbringen, einen Web-2.0-Auftritt braucht wie ein DAX-Konzern? Und als nächstes: Wer finanziert so eine aufgeblasene Unternehmenskommunikation? Fahrgast und Steuerzahler. Das kann sich ein solches Unternehmen nur leisten, weil es als Monopolbehörde keinerlei Marktdruck ausgeliefert ist und im Unendlich-Geld-Modus spielt.

Natürlich muss man nicht alles gleich sofort machen. So wie der Wettbewerb im SPNV ab 1996 auf solchen Strecken angefangen hat, die die Behördenbahn ohnehin stillgelegt hätte, so muss der Wettbewerb im kommunalen ÖPNV mit den Buslinien beginnen, die die Eigenbetriebe heute schon fremd vergeben und nicht selbst fahren. Das muss der Einstieg in Wettbewerbsstrukturen sein. Wenn die Stadtwerke-Verkehrsbetriebe so wirtschaftlich sind, wie immer gesagt wird, dann müssten sie ja alle Ausschreibungen für sich entscheiden können und hätten darüber hinaus die Möglichkeit, weiter zu expandieren, auch in den SPNV, wo es heute schon zu wenige Bieter gibt. Das Erfolgsmodell Wettbewerb würde allen Nutzen. Marktabschottung hat noch nie jemandem was gebracht – außer denen, die im geschützten Elfenbeinturm ein schönes Leben führen.

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