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Equal Pay im ÖPNV – Tariftreuegesetz zeigt Wirkung

08.11.12 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Tarifverträge mit gelben Gewerkschaften um Druck auf die Löhne auszuüben, Zweiklassengesellschaft, unterschiedliche Bezahlung für dieselbe Arbeit, Absenkungstarifverträge: Kaum zu glauben, dass es all das im öffentlichen Sektor gibt. Oder sagen wir lieber: Das gab es im öffentlichen Sektor. Es ist eine gute Nachricht, dass der Tarifvertrag mit der Christlichen Gewerkschaft öffentlicher Dienst und Dienstleistung geplatzt ist und dass in einem zumindest staatsaffinen Bereich wie dem ÖPNV nun eine angemessene Bezahlung für alle dort Beschäftigten möglich wird. Wenn der Staat bei öffentlich bestellten Leistungen das Prinzip der Lohngerechtigkeit nicht anwendet, wo sonst soll man darüber sprechen?

Es bleibt daher zu hoffen, dass die rot-grüne Landesregierung die Anwendung des Tariftreue- und Vergabegesetzes juristisch ausreichend abgesichert hat. Die Klage des Landesverbandes nordrhein-westfälischer Omnibusunternehmen (NWO) wird kommen; Geschäftsführer Johannes Krems legt in der aktuellen Ausgabe unseres Newsletters dar, dass man gerichtlich für den Erhalt des GÖD-Tarifvertrages kämpfen wird. Es geht ja schließlich – eigenen Angaben zufolge – um die Existenz einer ganzen Branche. Oder anders formuliert: Wenn die privaten Subunternehmen dieselben Löhne zahlen müssen wie die kommunalen Eigenbetriebe, dann fahren morgen keine Busse mehr. Solche Übertreibungen tragen nicht gerade zu einer seriösen Debatte bei.

Es wird trotzdem Zeit, mit einigen Vorurteilen aufzuräumen: Der vom VDV und anderen Interessenverbänden immer wieder kolportierte Wirkungszusammenhang zwischen Marktöffnung und Verschlechterungen für Arbeitnehmer existiert nicht. Das Credo „schottet die Märkte ab und es geht den Busfahrern gut“ hat sich als falsch erwiesen. Viele Busunternehmen haben trotz Inhouse-Vergaben erhebliche Fremdleistungen im Unternehmen, dazu kommt die Einführung des Tarifvertrages Nahverkehr (TV.N), der – auch wenn er jetzt als repräsentativ anerkannt worden ist – natürlich zumindest ursprünglich mal den Zweck hatte, die Löhne abzusenken.

Doch gerade diese Entwicklung wird sich jetzt ändern: Wenn der TV.N in kommunalen Eigenbetrieben wie auch bei Subunternehmen gilt, dann werden die Löhne in den nächsten Jahren stärker steigen als bisher. Die Drohung, dass zu hohe Löhne zu einer gesteigerten Fahrleistung privater Unternehmen führen, würde nicht mehr ziehen, denn dort wird ja derselbe Tarifvertrag angewandt. Die Folgen sind also weitreichender als man auf den ersten Blick annehmen mag: Es ist nicht nur die Anwendung eines (aus Sicht der Arbeitnehmer) besseren Tarifvertrags zum 1. Februar, es wird auch in den nächsten Jahren weitergehen. Was die Gewerkschaften in Tarifverhandlungen nicht geschafft haben, wird nun durch das Tariftreuegesetz Realität. Gleiches Geld für gleiche Arbeit.

Der GÖD-Tarifvertrag war das faule Ei in der mittelfristigen Finanzplanung des nordrhein-westfälischen ÖPNV und jetzt ist die Bombe geplatzt. Ob man wirklich Vorkehrungen getroffen hat oder ob die Verantwortlichen nach dem Prinzip „wird schon gutgehen“ gearbeitet haben, kann man im Moment noch nicht abschätzen. Es wird in jedem Fall nicht billiger, denn nennenswerte Kostenersparnisse durch externe Fahrleistungen wird es nicht mehr geben, im Gegenteil: Gerade die großen Unternehmen haben im Hinblick auf Buseinkauf, Werkstattsynergien und Kraftstoffkosten im Vergleich zu ihren kleinen externen Betreibern oft finanzielle Vorteile. Die Zeiten, dass Private wegen geringerer Lohnkosten billiger produzieren können, sind vorbei.

Gerade im ländlichen Raum, wo Fremdleistungsquoten von achtzig Prozent und mehr die Regel sind, dürfte die Kalkulation in naher Zukunft zusammenbrechen. Doch schon aus ordnungspolitischen Gründen wäre es kaum schade drum. Inhouse-Direktvergaben sind faktisch entleert, wenn die Busse dann doch von privaten Anbietern gefahren werden, ganz gleich wer der formale Konzessionär ist. Hier hat man bereits keinen internen Betreiber mehr, es gibt also keinen Grund, nicht auch offiziell auf Wettbewerbsvergaben zu setzen. Wozu solche Mogelpackungen?

Man wird damit drohen, die zusätzlichen Kosten nur durch Fahrpreissteigerungen auffangen zu können. Die Fahrpreise sind in den letzten Jahren immer gestiegen, nicht nur in Nordrhein-Westfalen. Erst vor ein paar Wochen hat das Statistische Bundesamt errechnet, dass das Beförderungsentgelt im ÖPNV seit 2002 um durchschnittlich 38 Prozent gestiegen ist – die Autokosten stiegen im gleichen Zeitraum um 30 Prozent. Der erhöhte Kostendeckungsgrad von 77 Prozent, auf den der VDV so stolz ist, wurde also von zwei Parteien bezahlt: Vom Mitarbeiter durch erhebliche Verschlechterungen bei den Arbeitsbedingungen und vom Fahrgast über massive Preissteigerungen.

Doch auch im SPNV ist das Tariftreuegesetz von Bedeutung. Mit der Nordwestbahn und der Düsseldorfer Regiobahn sowie der Abellio Rail NRW GmbH gibt es noch immer einige Akteure im Markt, die den Rahmentarifvertrag für Triebfahrzeugführer der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) nicht anwenden. Dabei wurde auch dieser für repräsentativ erklärt. Hier bleibt es jedoch spannend, denn es geht insbesondere um die Frage, ob das Lohnniveau erreicht wird. Die Nordwestbahn beabsichtigt zudem in Kürze Tarifverhandlungen aufzunehmen – die Düsseldorfer Regiobahn wird als Konzernschwester mit hoher betrieblicher Affinität alsbald nachziehen.

Also gut für die Arbeitnehmer im ÖPNV. Überhaupt: War da nicht mal was? Genau! Es laufen gerade mehrere Kampagnen, in denen sich die Branche als Top-Arbeitgeber zu präsentieren versucht. Die Deutsche Bahn sowieso, doch nachdem hier die Experimente mit diversen Heidekrautbahnen eingestellt wurden, hat man auch allen Grund dazu. Anders sieht es bei den kommunalen Verkehrsbetrieben aus – man hatte eine Zwei- und teilweise sogar eine Dreiklassengesellschaft. Damit ist jetzt Schluss. Es zeugt von gewaltiger Doppelmoral, wenn diejenigen, die sich als soziale Vorbilder präsentieren, Methoden anwenden, wie man sich sonst nur aus zwielichtigen Branchen kennt.

Und noch eins: Jetzt, wo Equal Pay gewährleistet ist, gibt es erst recht keinen Grund mehr, weiter auf Inhouse-Direktvergaben zu setzen. Wenn die Mitarbeiter also ohnehin dasselbe Geld verdienen, wird es Zeit, das Erfolgsmodell Wettbewerb auch im Stadtbusverkehr einzuführen. Es muss ja nicht gleich zu einer Abwicklung der großen Big Player führen (obwohl diese ja alle Ausschreibungen gewinnen müssten, wenn sie wirklich so wirtschaftlich sind, wie immer behauptet wird). Zumindest die Buslinien, die heute schon ohnehin von privaten Unternehmen gefahren werden, können ordnungsgemäß in den Wettbewerb überführt werden. Denn außer Pfründesicherung gibt es bei den jetzigen Umständen nichts mehr, was gegen das Frankfurter Modell spricht.

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