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Eisenbahnregulierung: Was wichtig ist

19.11.12 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Die Monopolkommission schreibt erneut ein Gutachten zur Eisenbahnregulierung und sie wird Ergebnisse liefern, die allen längst bekannt sind: Dass die jetzige Konzernstruktur vielleicht nicht zwingend aufgehoben werden muss, aber dass die Bande zwischen dem DB-Konzern und der DB Netz AG zu eng sind. Auch wenn es einigen Ewiggestrigen und Unbelehrbaren nicht passt, aber die Eisenbahn hat im Wettbewerb der Verkehrsträger einen strukturellen Nachteil, wenn das Netz von einem Verkehrskonzern gesteuert werden kann. Ganz aktuell zeigen die jetzt doch beibehaltenen Rabattregelungen bei der Bahnstromversorgung, dass es zu wenig Regulierung und einen zu starken DB-Konzern gibt, der weiß, wie man sich seine Pfründe sichert. Das muss die Politik ebenso einsehen wie die sich im Exodus befindliche EVG.

Natürlich gibt es Dinge, die wichtiger sind als die handelsrechtliche Zugehörigkeit der Infrastruktur. Das gilt – und da hat der VDV nicht unrecht – gerade für kleine und mittelständische Eisenbahnunternehmen. Eine zu starke Regulierung bei den Betreibern kleiner Infrastrukturen, die froh sind, wenn dort zehn oder zwanzig Züge im Jahr fahren (oft in einer Geschwindigkeit, in der man als Spaziergänger bequem nebenher gehen kann), wäre am Ende nicht zielführend. Gleichzeitig muss man aber Regelungen finden, um die Nutzung der Eisenbahninfrastruktur des Bundes für jedermann gleichermaßen zu ermöglichen. Dazu gehören auch faire Wettbewerbsbedingungen für alle.

Im Moment ist der Trick der DB AG, die explodierenden Trassenkosten auszunutzen und den Aufgabenträgern Gesamtpreise anzubieten. DB Regio übernimmt – wie schon im rechtswidrig vergebenen Elektronetz Nord in Sachsen-Anhalt – die Trassenpreisrisiken und schafft so vermeintliche Planungssicherheit für den Aufgabenträger. Die Gewinne wandern von DB Regio zu DB Netz, der Konzern verdient immer und das zeigt, was die DB AG in ihrer jetzigen Form für ein absurdes Konstrukt ist, entstanden aus einer abgebrochenen Eisenbahnreform.

Deshalb braucht es bei der derzeitigen Konzernstruktur chinesische Mauern zwischen den Unternehmen. DB Regio muss genauso ein Kunde von DB Netz werden wie die Wettbewerbsbahnen. Wenn es zu Streitigkeiten kommt, muss der Rechtsweg offenstehen. Gleichzeitig muss man notfalls mit gesetzlichen Mitteln verhindern, dass Infrastrukturfragen zum Gegenstand von Vergabeverfahren werden. Der DB-Konzern versucht es derzeit nach dem Prinzip von Trial and Error. Das muss aufhören. Eine vernünftige Regulierung mit einer unabhängigen Infrastruktur ohne Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag mit der Holding ist dafür eine Grundvoraussetzung. Solange die Eisenbahninfrastruktur in Deutschland „angemessene Renditen“ erwirtschaften muss, während die Straße nach dem Bedarfsprinzip finanziert wird, gibt es keine gerechten Wettbewerbsbedingungen.

Es würde übrigens im Traum niemand auf die Idee kommen, von der Autobahnmeisterei eine Dividende zu verlangen. In Deutschland gibt es den integrierten Konzern im wesentlichen nur deshalb, weil die Bundesregierung dieses Geld haben will. Da wundert man sich nicht über den schlechten Stand der Eisenbahn im Wettbewerb der Verkehrsträger.

Aber über etwas anderes sollte man sich schon wundern: Ganz aktuell wurde der Stationspreiskatalog fürs kommende Fahrplanjahr veröffentlicht. Diese steigen um bis zu sieben Prozent. Wofür? Für welche Gegenleistung? Was hat sich verbessert, wo sind die Kosten gestiegen, welchen Grund gibt es dafür? Allein im Jahr 2011 wurden 462 Millionen Euro an Infrastrukturgewinnen an die DB-Holding abgeführt. Im laufenden Jahr soll die Summe deutlich höher liegen und auch 2013 ff. weiter steigen. Ein Ende der Fahnenstange ist nicht in Sicht. Die Eisenbahn braucht nicht mehr Geld, sondern eine Kostenbremse. In der jetzigen Situation wäre zu befürchten, dass mehr Geld ausschließlich zu höheren Kosten führen würde. Oder anders ausgedrückt: Ein brennendes Haus löscht man auch nicht, indem man bündelweise Hundert-Euro-Scheine hinein wirft.

Es gibt jetzt verschiedene Argumentationslinien, die aufeinander treffen. Die einen sagen, dass DB Netz Rendite erwirtschaftet, die eigentlich viel zu gering seien. Es müsse noch mehr Geld herausgezogen werden, schließlich ist die Eisenbahninfrastruktur des Bundes sehr kapitalintensiv und das muss angemessen verzinst werden. Von einer Monopolgewinnabschöpfung könne daher keine Rede sein. Die öffentliche Hand müsse eben noch mehr Geld reinstecken, dies würde bei DB Netz nicht bilanziert und müsse entsprechend nicht verzinst werden. Also mit anderen Worten: Entweder, das Geld kommt aus real sinkenden Regionalisierungsgeldern oder es kommt aus einer anderen Kostenstelle, aber in jedem Fall von der Gemeinschaft der Steuerzahler.

Andere sagen, dass DB Netz zwar keine übermäßig hohen Renditen habe – obwohl niemand so genau nachvollziehen könne, wo das investierte Geld herstamme – sondern dass die Monopolgewinnabschöpfung an anderer Stelle stattfindet: Die Abschreibungen übersteigen seit Jahren die Investitionen, DB Netz verdient das große Geld nicht mit Renditen, sondern mit Devestitionen. Das kann man sehen, wie man will, objektiv bewerten können es wohl nur professionelle Wirtschaftsprüfer, die vertieften Einblick in die Eisenbahnfinanzierung der Bundesrepublik erhalten – und genau den dürften im Moment wohl nur Herr Grube und Herr Lutz haben.

Eins steht jedoch außer Frage: Die öffentlichen Bestellmittel sinken mit jedem Jahr real, es gab bereits erste Leistungskürzungen und dies wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen. Und das obwohl der ÖPNV für den Endkunden bereits erheblich teurer geworden ist. Erst vor ein paar Wochen hat das Statistische Bundesamt Zahlen veröffentlicht. Zwischen dem 1. Januar 2002 und dem 31. Dezember 2011 ist Autofahren um durchschnittlich 30 Prozent teurer geworden, während die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel um durchschnittlich 38 Prozent teurer geworden ist. Die Fahrgäste werden also bereits überdurchschnittlich zur Kasse gebeten, auch hier ist kein Ende in Sicht.

Da muss man politisch ansetzen und diesen Fehlentwicklungen ein Ende bereiten. Aber die Kostenbremse braucht es auf jeden Fall, ganz egal, ob die Infrastruktur zur DB AG gehört oder nicht. Auch eine gemeinwirtschaftliche Deutsche Eisenbahninfrastruktur AöR hätte eine Tendenz, sich das Geld aus dem hochsubventionierten SPNV zu holen. Deshalb gibt es Dinge, die wichtiger sind als das politische Schlagwort „Trennung von Netz und Betrieb“. Das wird die Monopolkommission erneut erkennen, denn es wird ja nicht deren erster Bericht. Das Problem ist, dass die Politik nicht reagieren wird. Politiker kommen zur Bahn, wenn ein Band durchgeschnitten werden kann, wenn ein Regionalexpress mit Doppeldeckerwaggons im Mittelzentrum mit 30.000 Einwohnern hält. Wenn DB Regio nach einer verlorenen Ausschreibung die Arbeitsplatzkarte spielt, dann gibt es parteiübergreifende Einigkeit. Nur zu ihrem eigentlichen Zweck scheint die Bahn niemanden mehr zu interessieren: Als öffentliche Daseinsvorsorge. Der Geist der Eisenbahnreform ist längst verflogen.

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