Elektronetz Nord: Der Rechtsbruch von Sachsen-Anhalt
22.10.12 (Kommentar, Sachsen-Anhalt) Autor:Stefan Hennigfeld
Die Richter ließen keine Zweifel: Die freihändige Vergabe im Elektronetz Nord ist vorne und hinten rechtswidrig. Weder kann die Rede von einer günstigen Gelegenheit sein noch lässt sich eine solche Zuschlagserteilung ohne eine ergebnisoffene Marktevaluierung auf sonst irgendeine Art und Weise rechtfertigen. Es liegt ein „gemeinsamer Vergabeverstoß“ der Aufgabenträger vor – und das völlig unabhängig von der Frage, ob ein marktgerechter oder überteuerter Preis bezahlt wird. Der als Abellio-Urteil bekannte Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 8. Februar 2011 spricht eine klare Sprache: In Eisenbahnangelegenheiten kommt das deutsche Vergaberecht zur Anwendung, es gibt keine Extrawurst.
Das hat auch nichts mit der Frage zu tun, ob die Beschwerde gegen die Vergabe formal korrekt war oder Fehler enthielt. Clemens Antweiler, der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers, legt in der aktuellen Ausgabe unseres Newsletters dar, dass das Gericht hier eine falsche Rechtsauffassung vertritt – er wird der Nordbayerischen Eisenbahn raten, das Bundesverfassungsgericht einzuschalten. Die Annahme, dass hier eine Landesregierung um jeden Preis eine Direktvergabe an DB Regio halten will, liegt nahe. Je tiefer man als Außenstehender gräbt und sich in die Materie einarbeitet, desto mehr Fragwürdigkeiten tauchen auf.
Ganz zu schweigen davon, dass die Details des Verkehrsvertrages ordnungspolitisch inakzeptabel sind. DB Regio erhält einen Preis pro Zugkilometer von anfangs 13 Euro, der steigt im Laufe der Jahre auf 15 Euro, in dem die Trassenentgelte bereits pauschal enthalten sind, wie auch immer diese sich entwickeln. Theoretisch kann natürlich jedes Eisenbahnverkehrsunternehmen ein solches Angebot abgeben – die ökonomischen Realitäten sprechen eine andere Sprache. Das kann die Deutsche Bahn nur als integrierter Konzern, weil sich die Gewinne zwischen den Sparten über die Jahre verschieben. Das ist der entscheidende Punkt: Der Konzern verdient immer. In Sachsen-Anhalt zeigt sich, wie bizarr dieses aus einer abgebrochenen Eisenbahnreform entstandene Konstrukt ist.
Deshalb muss man dagegen angehen. Es geht um nichts weniger als die Frage, welche Existenzgrundlage die Privatbahnen in Deutschland künftig haben werden. Wird es ein einklagbares Recht auf Wettbewerbsvergaben geben oder hängt man vom Gutdünken einzelner Aufgabenträger ab? Denn eine Direktvergabe ist eben nichts, was sich gesetzlich regeln lässt. Die Direktvergabe ist per definitionem eine Kombination aus staatlicher Willkür und Günstlingswirtschaft. Für die von interessierten Kreisen immer wieder genannten Ausnahmefälle gibt es bereits gesetzliche Regelungen. Sachsen-Anhalt zeigt, was wirklich droht: Dass nämlich nach dem Amigo-Prinzip einer Bananenrepublik öffentliche Aufträge vergeben werden. Obwohl: Bananen gibt es in Sachsen-Anhalt ja erst seit kurzem.