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Stadler und Siemens: Der richtige Weg für die S-Bahn Berlin

17.09.12 (Berlin, Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Stadler und Siemens wollen als Herstellerkonsortium die Züge der nächsten Generation für die S-Bahn Berlin nicht nur bauen, sondern gleich auch die Wartung übernehmen. Ein Modell, das in anderen europäischen Ländern schon lange üblich ist. Dass das Verkehrsunternehmen zugleich auch für Werkstattarbeiten zuständig ist, ist ein Relikt der Behördenbahn, das so nicht mehr zukunftsfähig ist.

Dabei spielt es keine Rolle, ob die Züge im Eigentum des Herstellers, des Aufgabenträgers oder eines privaten Investors stehen – ja selbst, wenn sie vom Betreiber selbst oder in dessen Auftrag angeschafft worden sind, ist es richtig, dem Hersteller die Verantwortung für die Betriebstüchtigkeit über die gesamte Lebensdauer zu übertragen. Dabei sind direkte Vertragsverhältnisse zwischen Fahrzeughersteller und Aufgabenträger sinnvoll.

Das Modell, dass das Betreiber seine Züge mitbringen muss ist fast zwanzig Jahre nach der Bahnreform vollständig gescheitert. Das gilt ausdrücklich auch dann, wenn – wie in Berlin vorgesehen – der Nachfolgebetreiber verpflichtet wird, die Züge vom Vorgänger zu mieten. Damit bringt macht man Verkehrsunternehmen zu Besitzgesellschaften und drängt sie in ein Geschäftsfeld, in das sie einfach nicht rein gehören. Die Folge bei der S-Bahn Berlin wird sein, dass es außer der DB AG keine nennenswerten Bewerber gibt – zumindest im Los 1.

Denn wenn man sich selbst die großen Wettbewerbsbahnen ansieht, dann weiß man: Die dort verlangten Investitionen sind selbst dann nicht möglich, wenn die Restwertrisiken abgesichert sind. Eine Verschuldung von einer halben Milliarde Euro und mehr würde das Rating jeder in Deutschland aktiven Wettbewerbsbahn kaputt hauen – ganz egal, welche Vermögenswerte dem gegenüberstehen. Von gesellschaftergeführten Mittelständlern, die keinem großen Staatskonzern angehören, ganz zu schweigen.

Aus diesem Grund gehen Stadler und Siemens den richtigen Weg. Sie haben erkannt, dass vor allem die kapitalintensive Fahrzeugbeschaffung anders geregelt werden muss und bieten Lösungen, die in anderen Ländern schon lange an der Tagesordnung stehen. Das braucht es auch und gerade für die S-Bahn Berlin, denn dort sind die Restwertrisiken besonders groß. Ein Stadler Flirt, ein Siemens Desiro oder ein Bombardier Talent können im Zweifel bundesweit fahren – für die Züge der S-Bahn Berlin haben nicht „die Aufgabenträger“, sondern Berlin das Nachfragemonopol.

Der Berliner Senat will, dass private Investoren ihm von ihrem privaten Geld Züge kaufen – allerdings über den Umweg des Betreibers. Auch wenn die Wettbewerbsbahnen keine offiziellen Stellungnahmen herausgeben möchten, so ist es doch in der Branche ein offenes Geheimnis, dass aller Wahrscheinlichkeit nach erneut die Deutsche Bahn den Zuschlag kriegen wird; nicht nur weil Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) vor den Senatswahlen im letzten Jahr trotz Abellio-Urteil eine Direktvergabe gefordert hat.

Auch aus dem Bundesverkehrsministerium kamen entsprechende Signale. Bestrebungen, die S-Bahn komplett, also das Verkehrsunternehmen S-Bahn Berlin GmbH und die Infrastruktur für die S-Bahn von der DB AG ans Land Berlin zu verkaufen, scheiterten sowohl am Bahntower als auch am Bundesverkehrsministerium. Am 6. Januar 2011 warnte Verkehrsstaatssekretär Klaus-Dieter Scheurle (CSU) im Berliner Tagesspiegel: „Es ist nicht hilfreich, wenn man dauernd mit der Möglichkeit eines neuen Vertragspartners herumspielt.“ Ein privater Investor sei ohnehin nicht in der Lage, mehrere hundert S-Bahntriebzüge anzuschaffen.

Damit ist klar, wohin die Reise geht. Die DB AG soll diesen Auftrag bekommen. Dabei wären Wettbewerbsbahnen, die eine solche Vorstellung abgeliefert hätten, wohl nach § 6, Abs. 5c VOL/A von der Ausschreibung ausgeschlossen worden. Vielleicht findet sich ja ein interessierter Bieter, der gegen den fehlenden Ausschluss der DB AG eine Rüge ausspricht. Die dann folgende Auseinandersetzung dürfte interessant werden.

Realistisch ist das jedoch nicht. Man muss wohl davon ausgehen, dass die DB AG das Los 1 gewinnt. Interessant bleibt, was aus den daraus folgenden Losen wird. Sollte man sich dann für fairen Wettbewerb und gegen eine als Ausschreibung getarnte Direktvergabe an die DB AG entscheiden, dann sind Modelle, wie das von Stadler und Siemens angestrebte, eine ernsthafte Überlegung wert.

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