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NRW Verkehrsministerium blockiert attraktive ÖPNV-Tarifgestaltung

03.09.12 (Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Verkehrspolitik) Autor:Sven Steinke

Wie Unterlagen des Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) zu entnehmen ist, blockiert das Ministerium unter dem neuen nordrhein-westfälischen Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) die Schaffung von kundenfreundlichen Übergangsregelungen bei der Entwicklung des neuen westfälischen Gemeinschaftstarifs und des Niedersachsentarifs. Insbesondere sollen die seit zwölf Jahren etablierten Tarifkragen des Ruhr-Lippe Tarifs in die Städte Dortmund, Hagen und den Ennepe-Ruhr-Kreis beseitigt werden.

Im Rahmen der im ÖPNV-Gesetz des Landes NRW geforderten Reduzierung der Zahl der Tarifräume von neun auf drei, erarbeitet das eingesetzte Projektbüro des NWL derzeit die Einzelheiten für die Entwicklung eines westfälischen Gemeinschaftstarifs auf dem Gebiet des Zweckverbandes. Im Zuge dessen ist man auch auf den Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) und die betroffenen Verkehrsunternehmen zugegangen, um entsprechende Tarifkragen in die Städte Dortmund, Hagen und den Ennepe-Ruhr-Kreis zu schaffen.

Grundsätzliches Ziel ist die Schaffung eines Tarifraums der ein Reisen zwischen den Städten Münster, Enschede, Osnabrück, Bielefeld, Paderborn, Hamm, Siegen, Hagen und Dortmund ohne Tarifbarrieren ermöglicht. Doch dieses Ziel versuchen DB Regio und das NRW-Verkehrsministerium zu verhindern, da ein Bedeutungsverlust des landesweiten NRW-Tarifs erwartet wird, der mit dem bundesweiten Nahverkehrspreissystem der Deutschen Bahn verzahnt ist.

Dabei ist ein westfälischer Gemeinschaftsarif ohne Übergangsreglungen in den Städten Dortmund, Hagen und dem Ennepe-Ruhr-Kreis praktisch gar nicht umsetzbar, weil die meisten Verbindungen aus dem südlichen Teil Westfalens in den nördlichen Teil durch die Fahrplanauskünfte über die Knoten Hagen und Dortmund ausgegeben werden. Relationen von Siegen nach Paderborn oder von Olpe nach Münster müssten weiterhin tariflich nach dem NRW-Tarif ausgegeben werden, was der Idee eines Westfalen-Tarifs zuwiderlaufen würde.

Michael Makiolla Aufsichtsratsvorsitzender der Westfälischen Verkehrsgesellschaft (WVG) und Landrat des Kreises Unna, wandte sich in einem Brief an Verkehrsminister Groschek um auf die Missstände aufmerksam zu machen. Darin schriebt er, dass die Vorstellungen des Verkehrsministeriums einer vernünftigen, kundenorientierten und erlössichernden Entwicklung des neuen Gemeinschaftstarifs entgegenstehen würden. Einerseits würde ein vollständiger Gemeinschaftstarif im Verantwortungsgebiet des NWL gefordert, anderseits würden Tarifkragen nach Dortmund und Hagen die eine grundlegende Voraussetzung dafür darstellen, abgelehnt.

Die Mitarbeiter des NRW-Verkehrsministeriums haben deshalb bereits eine Transitlösung angeboten, die ein Durchfahren der VRR-Kommunen ermöglichen würde. Relationen die in den westfälischen Oberzentren Dortmund und Hagen enden oder beginnen, wären dann trotzdem nicht mit dem neuen Westfalen-Tarif möglich.

Damit würde das neue Tarifmodell einen Rückschritt zum bereits bestehenden Ruhr-Lippe-Tarif darstellen, der es Fahrgästen aus dem Sauerland und der Hellwegregion bereits seit dem Jahr 2000 ermöglicht durchgehende Fahrscheine nach Dortmund oder Hagen mit Vor- und Nachlauf im kommunalen Nahverkehr zu lösen. Relationstickets des NRW-Tarifs können nicht in Bussen gekauft werden, wodurch Fahrgäste zukünftig wieder mehrere Fahrscheine benötigen.

Makiolla schrieb dazu weiter, dass Dortmund als größtes westfälisches Oberzentrum weit in den NWL-Raum hinein wirkt und entsprechend große Verkehrsströme auf die Stadt ausgerichtet sind. Eine politische Grenze zwischen NWL und VRR würden die Fahrgäste nicht kennen. Auch vom Ministerium vorgeschlagene Kompromisse wie die weitere Beibehaltung der Übergangsregelungen in ausgewählten Relationen sieht der WVG-Aufsichtsratsvorsitzende als kundenunfreundliche Einschränkung an.

Auch die angestrebten Übergangsregelungen des zukünftigen Niedersachsen-Tarifs sorgen für Konflikte zwischen dem NRW-Verkehrsministerium und den Aufgabenträgern im Nahverkehr. Um die Verkehrsbeziehungen zwischen Niedersachsen und NRW zu stärken, ist geplant die Oberzentren Münster, Bielefeld und Paderborn in den neuen Tarif zu integrieren. Hier hatte das NRW-Verkehrsministerium bereits angekündigt, die Bestrebungen über die Bezirksregierung Köln als zuständige Genehmigungsbehörde blockieren zu wollen.

Angesichts der Blockadehaltung in Tariffragen scheint die neue Landesregierung nicht an kundenorientierten Lösungen zum Abbau bestehender Tarifbarrieren und damit einer Steigerung der Fahrgastnachfrage interessiert zu sein. Umfragen und Untersuchungen zeigen immer wieder, dass komplizierte Nahverkehrstarife mit unübersichtlichen Bestimmungen ein großes Zugangshindernis für neue Kunden darstellen und diese nachhaltig von der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel abhalten.

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