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VRR-Preiserhöhungen: Was ist akzeptabel und was nicht?

09.07.12 (Kommentar, Verkehrspolitik, VRR) Autor:Stefan Hennigfeld

Es ist deutschlandweit gängige Praxis, dass die Fahrpreise einmal im Jahr um das zwei- bis dreifache der Inflation erhöht werden, da stellt der VRR keine Ausnahme – auch wenn das, was dieser mit Abstand größte Verbund der Republik tut, sicher stets eine Art Signalwirkung für andere hat. Doch unabhängig von den tatsächlichen Kostensteigerungen: Wo sind Preiserhöhungen akzeptabel und wo nicht?

Es gibt einen bundesweiten Trend, spätestens seit der Wiederwahl der rot-grünen Schröder-Fischer-Regierung im Jahr 2002: Raus aus dem Steuerstaat, rein in den Gebührenstaat. Die verantwortungslosen Steuersenkungsorgien der sozialdemokratischen Finanzminister Steinbrück und Eichel waren das eine – die öffentliche Hand hat finanzielle Handlungsfähigkeit eingebüßt. Der Zuschussbedarf muss sinken, das Geld muss also an anderer Stelle „erwirtschaftet“ werden.

Der VDV weist mit Freuden darauf hin, dass man mit einem Kostendeckungsgrad von bundesweit im Durchschnitt 77 Prozent „international einen herausragend positiven Benchmark“ setzt, wie Verbandspräsident Jürgen Fenske im April sagte. Einen erheblichen Teil davon haben die Fahrgäste durch Preiserhöhungen aus ihrem Geldbeutel finanziert.

Die Infrastrukturkosten im SPNV steigen ins unermessliche. Derzeit sind es fünfzig Prozent, ceteris paribus werden es am Ende der laufenden Dekade in acht Jahren achtzig Prozent sein. Allein vor diesem Hintergrund sind alle Überlegungen, man könne das jetzige Leistungsangebot ausweiten oder gar so etwas wie einen Rhein-Ruhr-Express einführen, grober Unfug.

Man kann jetzt lang und ausführlich darüber streiten, ob es sich bei diesen Preissteigerungen im Infrastrukturbereich um Monopolgewinnabschöpfungen der DB AG handelt oder ob es sich um reale Mehrkosten handelt, die weitergegeben werden. Auch die Frage, ob das Trassenpreissystem per se nicht mehrverkehrsfeindlich ist, könnte ganze Bücher füllen. Tatsache aber ist, dass die Zuwendungen des Bundes für seine Schieneninfrastruktur, die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) keinen Inflationsausgleich haben und dass auch der Betrag an sich von Fachleuten für zu gering gehalten wird.

Auch hier gilt wieder dasselbe Prinzip: Die öffentliche Hand entzieht sich aufgrund der eigenen Steuerpolitik immer mehr Liquidität, so dass die Aufwendungen für die Verkehrsinfrastruktur mit jedem Jahr real sinken. Es ist eben nicht nur der Personalausweis, der auf einmal 28,80 statt acht Euro kostet, es sind die Folgen, die auch im öffentlichen Verkehr zu spüren sind.

Dabei müsste man sich angesichts explodierenden Treibstoffkosten durchaus mal Gedanken um die Frage machen, wie man auch im ÖPNV Mehreinnahmen generieren kann, die nicht nur sinkende öffentliche Zuschüsse kompensieren, sondern mit denen sich erkennbare Verbesserungen einführen lassen – um die Stellung der öffentlichen Verkehrsmittel im Wettbewerb der Verkehrsträger zu verbessern.

Wenn man an der Tankstelle heute zwanzig Prozent mehr zahlt als vor einem Jahr, dann würde doch erstmal überhaupt nichts dagegen sprechen, auch die Fahrpreise im ÖPNV um acht bis zehn Prozent zu erhöhen. Unter der Voraussetzung, dass der Kunde merkt, wo das Geld bleibt. Im VRR passiert aktuell das Gegenteil: Die Fahrpreise steigen, während in Duisburg und Oberhausen das Angebot stark zurückgefahren wird. In Witten gab es bereits 2009 immense Leistungskürzungen. Der SPNV ist – abseits der beiden RRX-Trassen im Ruhrgebiet – bereits seit Jahren nur noch ein riesiges Streichkonzert. Aber zumindest kann man dem VRR nicht vorwerfen, Verspätung zu haben. Leistungskürzungen und Fahrpreiserhöhungen kamen bislang immer pünktlich.

Dabei lässt es sich wohl kaum vermeiden, denn es sind die politischen Rahmenbedingungen, die dafür sorgen, dass Kostensteigerungen allein durch die Kunden finanziert werden müssen. Mit Erfolg hat der gestiegene Kostendeckungsgrad dabei allerdings wenig zu tun. Das Verkehrsaufkommen steigt insgesamt, und dieses gestiegene Gesamtverkehrsaufkommen bildet auch der ÖPNV ab. Der Modal Split ist konstant schlecht, deshalb schweigt die Branche darüber gern. Statt dessen versucht man die absoluten Zahlen als Erfolg zu verkaufen.

Wenn die Fahrleistung konstant bleibt, Busse und Bahnen daher immer voller werden und darüber hinaus auch die Fahrpreise immer weiter steigen, dann ist der „bessere“ Kostendeckungsgrad kein Erfolg, sondern die logische Folge. Gerade auch deshalb, weil sich die ÖV-Branche in den letzten Jahren stark auf Kosten ihrer Mitarbeiter saniert hat.

Und genau diese Entwicklung wird weitergehen. Ob der ÖPNV dann aber tatsächlich attraktiver wird, bleibt abzuwarten. Alle reden von der Energiewende, doch dazu gehört auch die Verkehrswende. Um die zu vollziehen, müssen Bus und Bahn aber wesentlich attraktiver werden. Dieser Weg wird kein leichter sein.

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