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Der SPNV braucht mehr Mittelstand – aber wie

02.07.12 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Wenn man von der Deutschen Bahn hört, dass der SPNV im wesentlichen vom Wettbewerb der Staatskonzerne geprägt sei, dann ist das durchaus richtig. Der Marktanteil der mittelständischen Unternehmen im SPNV, die keinem großen Konzern angehören und keine Gesellschafter haben, die zumindest in ihrem Heimatmarkt auf Augenhöhe mit der DB AG sind, ist verschwindend gering. Das muss sich ändern – ansonsten droht eine besorgniserregende Oligopolbildung.

Wenn man sich die G6-Konzerne einmal ansieht und überlegt, wie es mit diesen perspektivisch weitergeht, dann steht zu befürchten, dass in zehn oder zwanzig Jahren nicht mehr ausreichend Wettbewerber vorhanden sind und der Weg zurück Richtung Einheits- und zwangsläufig auch Behördenbahn führt. Bestrebungen, die Eisenbahn vom allgemeinen Vergaberecht auszunehmen, weil einige Leute der Meinung sind, dass es nicht mehr genügend Akteure im Markt gibt, stellen erst den Anfang einer gefährlichen Entwicklung dar.

Allerdings sind die Ausschreibungen besonders erfolgreich, bei denen der Aufgabenträger den Bietern die hohen Investitionen in Rollmaterial und Werkstatt abnimmt. Aktuelle Beispiele sind die Vergabe des Heidekreuzes in Niedersachsen oder auch die in diesem Jahr entschiedenen Ausschreibungen in Nordrhein-Westfalen. Beide haben eins gemeinsam: Der Besteller erwirbt die Züge und vermietet sie an den Auftragnehmer.

Am Ende des Tages finanziert sowieso der Aufgabenträger die Züge, ganz gleich ob direkt oder indirekt. Die Finanzierungskosten können über die Betriebsentgelte an den Betreiber gezahlt werden, sie können aber auch direkt übernommen werden. Es spricht eine ganze Menge dafür, es so zu machen wie in Niedersachsen. Das VRR-Modell geht noch einen Schritt weiter: Hier soll das Know-How der Eisenbahnverkehrsunternehmen in die Anschaffung mit einfließen. Nur die Finanzierung läuft über die öffentliche Hand, der Rest ist Sache des privaten Unternehmens.

Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt. Gerade im Hinblick auf die Schuldenbremse, den Fiskalpakt und die immer weitere Kreise ziehende Staatsfinanzierungskrise muss man sich Gedanken machen, ob solche Modelle politisch überall mehrheitsfähig sind. Die Schulden öffentlicher Aufgabenträger sind auch Staatsschulden – dabei wollte man doch eigentlich davon wegkommen. Der Aufgabenträger soll das Verkehrsangebot definieren und bei privaten Unternehmen bestellen.

Deshalb ist es an der Zeit, andere Modelle umzusetzen. Für die S-Bahn Berlin wurde ein Besitzgesellschaftsmodell bereits ausgearbeitet, das möglicherweise bei der Ausschreibung von Regionalexpresslinien im Ruhrgebiet erstmals zur Anwendung kommen wird. Auch hier würde man den Verkehrsunternehmen immense Investitionen abnehmen, allerdings ohne dass die öffentliche Hand dafür geradestehen müsste.

Es gibt bereits Besitzgesellschaften, nahezu alle Wettbewerbsbahnen haben ihr Rollmaterial bei solchen Firmen gemietet. Das muss stark ausgeweitet werden. Es handelt sich um ein hochgradig attraktives Geschäftsfeld für Pensionsfonds, Versicherungen und andere Kapitalanleger. Die Renditen sind nicht besonders hoch, dafür ist das Investment um so sicherer. Die öffentliche Hand lässt von privaten Geldgebern Züge anschaffen, die diese dann an Verkehrsunternehmen vermieten.

Die Aufgabenträger würden sich weder verschulden noch irgendwelche Risiken eingehen, sondern ausschließlich dafür garantieren, dass die Züge für die gesamte Abschreibungsdauer auskömmliche Aufträge erhalten – ganz gleich, welcher Betreiber sie während dieser Zeit mietet und einsetzt. So werden Risiken für alle Seiten minimiert und der Markt attraktiver.

Und genau darum muss es gehen: Güterverkehrsunternehmen, die heute zehn oder zwölf Lokomotiven besitzen, sollen Anreize erhalten, auch in den SPNV zu expandieren. Wenn die Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe für Werkstätten und Rollmaterial wegfallen, dann wird der Markteintritt sehr viel einfacher.

Beide Modelle – sowohl die Besitzgesellschaft als auch die Eigentümerschaft des Aufgabenträgers – eignen sich dafür, die Marktsituation nachhaltig zu verbessern. Jedes dieser Modelle hat seine Vor- und Nachteile. Aber darauf zu setzen, dass das Eisenbahnverkehrsunternehmen eigene Züge mitbringt, hat sich nicht ausreichend bewährt. So wichtig die Expansionsgesellschaften europäischer Staatseisenbahnen sind, aber ohne zahlreiche mittelständische Unternehmen geht auch auf der Schiene nichts. Es muss sich etwas tun – und zwar in einem überschaubaren Zeitrahmen.

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