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Interview mit VDV-Eisenbahngeschäftsführer Martin Henke (Teil 3): Wettbewerb muss die Regel sein

28.06.12 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Martin Henke (52) ist seit dem 1. April 2000 Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), zunächst für den Güterverkehr, seit 2003 für die gesamte Eisenbahn. Mit dem Eisenbahnjournal Zughalt.de sprach er über die Situation der Eisenbahn und des öffentlichen Verkehrs im Jahr 2012, den schlechten Modal Split, die Wettbewerbssituation und Diskriminierungstatbestände. Bereits gestern erschien der zweite Teil.

Sie sagen, der VDV steht zum Wettbewerb im SPNV, trotzdem fordern Sie noch immer ein neues Recht auf Direktvergaben und eine entsprechende Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes. Warum?

Die Direktvergabe ist eines der Mittel aus dem Werkzeugkasten eines Aufgabenträgers und aus meiner Sicht sollte man diesen Werkzeugkasten nicht von vornherein zu klein machen. Man hat gesehen, dass sich die Situation im Markt immer noch entwickelt und dass man dort eben gegebenenfalls gegensteuern muss. Deshalb ist nicht nur die DB AG, sondern auch die Wettbewerber der Auffassung, dass es hier eine Möglichkeit geben muss, steuernd einzugreifen. Es gibt Fälle, bei denen die Direktvergabe absolut naheliegend ist.

Was sind das für Fälle?

Gar keine Diskussion sollte es z.B. bei Eisenbahnen besonderer Bauart geben, etwa Schmalspurbahnen.

Warum greift die im Vergaberecht und in der Verordnung 1370 heute schon verankerte Bagatellklausel da nicht?

Es gibt größere Schmalspurbahnnetze, z.b. im Rhein-Neckar-Raum, die keine Bagatellvergaben sind, nicht immer nur von touristischem Wert, sondern durchaus auch anderweitige verkehrliche Bedeutung haben. Schon aufgrund der besonderen Fahrzeuge ist hier eine Verpflichtung zur Ausschreibung unsinnig.

Was ist mit der Klausel über öffentliche Aufträge, für die von vornherein nur ein bestimmtes Unternehmen geeignet ist?

Warum sollte man dabei erst ins Vergaberecht gehen? Das Vergaberecht an sich hat ja bereits einen hohen Organisationsaufwand. Dort kann man mit der Direktvergabe sehr viel unbürokratischer arbeiten.

Eine solche Direktvergabe wäre aber natürlich nur unter der Bedingung möglich, dass ein förmliches Verwaltungsverfahren durchgeführt wird, das auch einen entsprechenden Rechtsakt beinhaltet, der nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz zu begründen wäre. Für Willkür darf auch dort kein Platz sein.

Das bedeutet, die Unternehmen, die Interesse haben, können dieses bekunden und dann müsste wiederum eine ergebnisoffene Marktevaluierung durchgeführt werden?

Das ist eine Spielart, die durchaus möglich ist. Es ist aber absehbar, dass es in einigen Bereichen nicht sinnvoll ist, etwa bei den bereits angesprochenen Schmalspurbahnen. Oder reden wir mal über Leistunsgsausweitungen: Muss man denn jedesmal einen riesigen Aufwand betreiben, wenn man abends eine Stunde länger fährt oder die Strecke um wenige Kilometer verlängert?

Natürlich nicht. Deshalb sieht das Vergaberecht ja auch Klauseln zur Ausweitung ausgeschriebener Leistungen vor. So kann man ohne dass ein neues Vergabeverfahren nötig ist, das Vertragsvolumen um zwanzig Prozent ausweiten. Ein Netz mit fünf Millionen jährlichen Zugkilometern könnte daher ohne weiteres auf sechs Millionen jährliche Zugkilometer ausgeweitet werden. Warum glauben sie, dass diese Klausel im Vergaberecht im Eisenbahnbereich nicht zur Anwendung kommen kann?

Nehmen wir doch einmal einen konkreten Fall. Lassen Sie uns über den Eurobahn-Sprinter reden. Den fährt die Eurobahn, nicht weil sie die Eurobahn ist, sondern weil sie die Ausschreibung für das Hellwegnetz gewonnen hat. Auf nordrhein-westfälischer Seite ist es eine Leistungsausweitung, auf hessischer Seite eine Notvergabe. Halten Sie die Vergabe des Eurobahn-Sprinters für rechtswidrig?

Nein, ich halte die Vergabe des Eurobahn-Sprinters nicht für rechtswidrig und ich finde es im konkreten Fall auch sehr erfreulich, dass die Hellwegregion zumindest zur Tagesrandlage eine neue Anbindung an die Fernverkehrsdrehscheibe Kassel-Wilhelmshöhe erhalten hat. Aber der Weg über eine Direktvergabe ist einfacher und bevor ich mir ein Risiko antue, wie bei der Notvergabe, möchte ich lieber eine saubere Begründung haben. Ich möchte an dieser Stelle aber einmal klarstellen: Der VDV sieht die Direktvergabe im SPNV als Ausnahme an. Sie kann und darf nicht die Regel werden.

Ihr Kollege Oliver Wolff wollte als Ministerialdirigent in Nordrhein-Westfalen den rechtswidrigen Verkehrsvertrag zwischen Verkehrsverbund Rhein-Ruhr und DB Regio NRW durch eine Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes nachträglich legitimieren. Das ist ihm nicht gelungen, aber heute strebt er als Ihr Hauptgeschäftsführer noch immer diese Änderung an, also würde eine ganzheitliche Marktabschottung dadurch ermöglicht werden. Oder teilen Sie die Auffassung von Mofair und VRR, dass diese Gesetzesänderung das Abellio-Urteil nicht verhindert hätte?

Manchmal muss man in der Politik mehr fordern um etwas zu bekommen. Ich bin kein Richter am Bundesgerichtshof und kann daher nicht sagen, ob diese Gesetzesänderung das Abellio-Urteil verhindert hätte. Ich bin aber Jurist und deshalb weiß ich: Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand – ohne theologisch werden zu wollen. Es gibt aus meiner Sicht keinen Anlass davon auszugehen, dass Aufgabenträger willkürlich handeln, wenn sie in begründeten Fällen Direktvergaben durchführen

Die Direktvergabe muss man als Ausnahmeoption sehen und diese Ausnahmetatbestände müssen klar und und deutlich definiert werden. Wir haben dieser Tage im Wettbewerbsausschuss darüber gesprochen, wie man diese Ausnahme- und Sondersituationen noch klarer definieren kann, um zu verhindern, dass diese Option als Einfallstor genutzt wird, um Wettbewerb zu verhindern.

Sie wollen das aber trotzdem nicht im Vergaberecht lösen?

Doch.

Also sind Sie von der Forderung, § 15 AEG zu ändern, wieder abgerückt?

Wo die Klarstellung erfolgt, ist nicht so wichtig. Es muss rechtlich geregelt werden. Ich kann mir auch ein gesondertes Vergaberecht für den SPNV vorstellen.

Sie sprechen auch von unsicheren Betriebskonstellationen, etwa von neuen S-Bahnnetzen oder ähnlichem. Die letzte neue S-Bahn in Deutschland war die S-Bahn Bremen, da fährt die Nordwestbahn. Was genau meinen Sie damit?

Beispielsweise meine ich die Reaktivierung stillgelegter Eisenbahnstrecken. Sollte sich NVR dazu entschließen, die Strecke nach Waldbröl wieder zu befahren, dann gibt es dort keine Daten und keine hinreichenden Informationen zum Verkehrsaufkommen, zum Anteil verschiedener Ticketarten und zur Nutzung unterschiedlicher Vertriebsarten. Hier muss es möglich sein, Verkehre für gewisse Zeiträume zu bestellen, um die Relation zu erproben und von Aufgabenträger- wie von Unternehmensseite keine zu großen Risiken zu schaffen.

Und das als Leistungsausweitung zu einer bestehenden Ausschreibung zu machen halten Sie für nicht geeignet?

An einigen Stellen könnte man darüber reden. Es gibt aber eine ganze Reihe anderer Fälle, bei denen das nicht der Fall ist. Wenn etwa eine kurze Diesellinie von einer elektrifizierten S-Bahnstrecke abzweigt, die zu einem vergebenen Elektronetz gehört. Da können Sie ja schlecht was ausweiten.

Wollen Sie denn dann für die Unternehmen, die nicht zum Zuge kommen, bestimmte Rechte einzuführen? Etwa dass andere Betreiber ihr Interesse bekunden können. Oder wollen Sie wirklich ohne eine ergebnisoffene Marktevaluierung öffentliche Aufträge an ein vorher ausgewähltes Unternehmen vergeben?

Nein, es muss selbstverständlich vor der Entscheidung zu einer Direktvergabe auch einen schriftlich niedergelegten und transparenten Abwägungsprozess geben. Man kann sich dann überlegen, welche Interventionsrechte es gibt. Wenn von vornherein klar ist, dass mehrere Bewerber ein sinnhaftes Interesse haben, dann spricht einiges dafür, ein Ausschreibungsverfahren durchzuführen. An einigen Stellen aber bietet es einfach keinen Mehrwert.

Es gibt dann auch noch einen Fall, in dem man bewusst gegen bekundetes Interesse befähigter Unternehmen eine Direktvergabe an ein anderes durchführt würde und zwar dann, wenn man gewährleisten will, dass dieses sich zum Platzhirsch bzw. Monopolisten entwickelt, weil es in einer Region keinen Konkurrenten mehr hat. Hier kann eine Direktvergabe eine nachhaltige Wettbewerbssituation ermöglichen. Dabei könnten kleine oder mittlere Unternehmen betraut werde, damit man sie am Leben und damit im Wettbewerb erhält. Auch das ist eine der wenigen Optionen, die wir für die Direktvergabe benötigen.

Beim Netz Stadtbahn in Berlin hat man eine Losaufteilung gemacht, dort war von Anfang an klar, dass kein Bieter alle vier Lose für sich entscheiden kann. Das war die größte Ausschreibung, die es in Deutschland jemals gab. Bei den Rhein-Ruhr-Express Vorlaufleistungen strebt der VRR ähnliches an, weil man auch weiß, dass die Losbildung hier aufgrund der Mittelstandsförderungsklausel im deutschen Vergaberecht obligatorisch ist. Sehen Sie das nicht auch als einen Weg an, hier zu gewährleisten, dass es mehrere Bieter im Markt gibt?

Das kann unter Umständen sinnvoll sein. Hier sind Abwägungen erforderlich, was im Einzelfall besser ist. Das Interesse des Aufgabenträgers war es an dieser Stelle, den Wettbewerb zu fördern und es ist vollkommen legitim, so etwas zu machen. Es hat aber den Nachteil, dass nicht zwingend das insgesamt günstigste Angebot genommen wird.

Das wäre aber auch bei einer Direktvergabe so.

Das ist richtig, deshalb halte ich es für legitim, u.U. mehr zu bezahlen, um auf Dauer den Markt zu erhalten.

Auch dass wir beim Rhein-Ruhr-Express einen Fahrzeugpark kriegen hat ja damit zu tun. Die Landesregierung will einheitliche Fahrzeuge und wer ein Netz mit elf Millionen Zugkilometern im Jahr als Einheit ausschreibt, der kriegt einerseits sicher weniger Bewerber und andererseits würde eine solche Ausschreibung auch sehr wahrscheinlich von übergeordneten Stellen aufgehoben werden.

Ja, das ist so. Ich bin auch der Auffassung, dass man generell eine Vereinheitlichung braucht, wenn wir über das Rollmaterial im deutschen SPNV reden. Auch hier lassen sich Kosten sparen, wenn eine begrenzte Palette unterschiedlicher Fahrzeuge zur Verfügung steht, die dann aber nicht für jede Linie oder jedes Teilnetz neu angepasst werden, sondern die Basis stets dieselbe bleibt.

Lassen Sie uns an dieser Stelle mal einen Doppelbogen spannen, wenn wir über die Situation der Aufgabenträger sprechen: Ein besonderer Fall ist die Müngstener Brücke, die höchste Eisenbahnbrücke Deutschlands. Die Anlage ist aufgrund ihrer Baufälligkeit ein unkalkulierbares Risiko für jedes Eisenbahnverkehrsunternehmen. Sehen Sie das auch als besonderes Betriebsprogramm an, das eine Direktvergabe rechtfertigt?

Das ist ein Beispiel dafür.

Unabhängig von der konkreten, sehr erfolgreichen Ausschreibung: Dass die Müngstener Brücke in so einem desolaten Zustand ist, hat Gründe. Martin Husmann sagte mir, er habe über Jahre hinweg immer wieder bei DB Netz nachgefragt, was es mit dem massiven Rostbefall auf sich hat. Die Antwort lautete über Jahre hinweg, es sei alles in bester Ordnung, als das Eisenbahnbundesamt auf den Plan getreten ist stellte sich heraus, dass DB Netz den VRR jahrelang angelogen hat, ohne dass dieser was dagegen machen konnte. Denken Sie, dass hier auch der Aufgabenträger einen verbindlichen Rechtsstand braucht? Der Fahrgastverband Pro Bahn forderte bereits 2004 direkte Vertragsverhältnisse zwischen Eisenbahninfrastrukturunternehmen und SPNV-Aufgabenträger.

Das ist ja heute schon Stand des Rechts. Der Aufgabenträger kann auch selbst die Trasse bestellen und hätte damit einen eigenen Erfüllungsanspruch. Aufgabenträger im SPNV und auch Speditionen im Güterverkehr können direkt in dieses Vertragsverhältnis reingehen. Aber trotzdem hat natürlich auch ein Eisenbahnverkehrsunternehmen, ganz gleich welches, den Anspruch, sich selbst mit seinem Infrastrukturpartner auseinanderzusetzen. Viele Fälle, in denen es um Zuschnitt oder Zustand der Infrastruktur geht, diskutieren wir auch im Netzbeirat, auch wenn dieser dort nicht vorgekommen ist – obwohl der VRR dort vertreten war.

Ich bezweifle aber, ob Aufgabenträger partout eigene Vertragsbeziehungen zum Netz haben sollten, denn es würde neue Ineffizienzen schaffen, wenn das Eisenbahnverkehrsunternehmen zur Durchsetzung sämtlicher berechtigter Ansprüche erst den Kontakt mit dem Aufgabenträger suchen müsste.

Aber der Aufgabenträger ist die für die öffentliche Daseinsvorsorge zuständige Stelle.

Es gibt aber nicht nur bestellte Verkehre. Es kann durchaus auch sein, dass jemand auch ohne öffentliche Finanzierung fahren möchte. Die normale Konstruktion sollte daher auch weiterhin sein, dass das Verkehrsunternehmen und der Infrastrukturbetreiber in direkten Vertragsverhältnissen zueinander stehen. Deshalb müssen dafür die Voraussetzungen geschaffen werden: Selbstverständlich muss die Infrastruktur betriebssicher vorgehalten werden, auch in der dafür vorgesehenen Geschwindigkeit und auch ohne Begegnungsverbote. Solche Maßgaben sind u.a. durch die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung abgegolten.

Unabhängig von der Frage, welche Rolle die Konzernstruktur bei der Müngstener Brücke gespielt hat, lassen Sie uns doch mal nach Sachsen-Anhalt gucken. Dort haben wir eine freihändige Vergabe der NASA an DB Regio, die impliziert, dass DB Regio die Trassenpreisrisiken bis 2028 auf die eigene Kappe nimmt. Damit ist die NASA die größte Sorge los, die die Aufgabenträger dieser Tage haben. Befürchten Sie, dass Sie mit ihrer angestrebten Gesetzesänderung solche Deals begünstigen?

Ohne mich zu diesem konkreten Fall zu äußern, bin ich davon überzeugt, dass Infrastrukturfragen, ganz egal ob es sich um deren Zustand oder die Bepreisung handelt, in einem Vergabeverfahren für den SPNV kein Entscheidungskriterium sein dürfen. Darin sähe ich großes Diskriminierungspotenzial.

Sind Sie der Ansicht, dass der integrierte Konzern aufgelöst werden muss, wie das in der Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung vorgesehen ist, oder denken Sie, dass man diesen integrierten Konzern unter Anpassung an das europäische Eisenbahnrecht so erhalten kann?

Der VDV hat sich bei der Diskussion um den Börsengang des integrierten Konzerns ausführlich damit befasst. Das ist jetzt aber nicht mehr Stand der Dinge, auch wir gehen auf absehbare Zeit nicht von einer Privatisierung aus. Wir haben damals mehrere Möglichkeiten gesehen, entweder durch Unbundling oder unter Beibehaltung der Konzernstruktur mit entsprechenden Regulierungsmöglichkeiten. Wir haben derzeit eine Arbeitsgruppe zum Thema Unbundling, die auch noch im Sommer ein- bis zweimal tagen wird.

Die Diskussion geht derzeit in eine Richtung, bei der man mehrere Möglichkeiten bewertet. Ich möchte den dortigen Gesprächen aber an dieser Stelle nicht vorgreifen. Aber keine Frage, das Regulierungsrecht muss den europäischen Vorgaben Rechnung tragen. Grundsätzlich fordert der VDV eine starke Regulierungsbehörde mit einer Generalklausel zum Eingreifen. Wir reden derzeit über die inhaltlichen Anforderungen, die für unterschiedliche Konzernstrukturen maßgeblich sein sollten.

Man muss aber aufpassen, dass man nicht zu einer Regulierung kommt, die den kleinen Infrastrukturbetreibern, die froh sind, wenn überhaupt irgendjemand bei ihnen fährt, große Kosten auferlegt und auf der anderen Seite bei Problemen, die es zwischen DB Netz und deren Kunden gibt, keine Hilfe ist. Deshalb halten wir es für richtig, dass eine Behörde je nach Einzelfall eingreifen kann – und dann auch soll.

Die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung sieht pauschal 2,5 Milliarden Euro im Jahr vor. Wie man auf diese Summe gekommen ist weiß niemand so genau, es gibt keinen Inflationsausgleich und zeitweise wird hier von einem ´zahnlosen Tiger´ gesprochen. Wie bewerten Sie das?

Wir haben uns im VDV bei der Einführung ganz intensiv damit beschäftigt. Sie wurde vor dem Börsengang als eine der Möglichkeiten gesehen, den Zustand der Infrastruktur zumindest einigermaßen messbar zu halten. Die jetzige LuFV ging uns damals aber nicht weit genug. Es muss eine Kapazitätskomponente drin sein. Damals war die Netzkapazität durch den Abbau von Neben- und Überholgleisen unter Druck, gilt aber heute nicht mehr ganz so sehr. Die LuFV und auch die Arbeit des Eisenbahnbundesamtes haben dazu beigetragen.

Erinnert sei an dieser Stelle etwa an die rechtswidrigen Rückbauten der DB Netz AG etwa in Ottbergen oder an der Rechten Rheinstrecke. Hier wurden Gleise ungenehmigt abgebaut, die DB Netz auf eigene Kosten wieder aufbauen musste.

Richtig. Heute arbeiten Eisenbahnbundesamt und DB Netz allerdings sehr viel besser zusammen. Und wir als VDV sind aber nach wie vor der Ansicht, dass es eine Kapazitätskomponente in der LuFV braucht. Mittlerweile sind uns mindestens vier Berechnungsmethoden zur Kapazität bekannt und werden darüber diskutieren, welche davon mit in die LuFV einfließt.

Wie bewerten Sie die Summe von 2,5 Milliarden Euro im Jahr?

Unserer Ansicht nach ist das deutlich zu wenig. Die LuFV sieht ja überhaupt gar keinen Inflationsausgleich vor, wie Sie richtig sagten. Dazu kommt, dass die Preise im Baubereich deutlich stärker und schneller steigen als in anderen Bereichen, so dass wir es hier also mit Kostensteigerungen über der Inflationsrate zu tun haben. Hier haben wir es ganz klar mit einer für den Verkehrsträger Eisenbahn ungünstigen Entwicklung zu tun. Das gilt sowohl für Ersatzinvestitionen im Rahmen der LuFV als auch für Neuinvestitionen im Bundesverkehrswegeplan.

Herr Henke, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Stefan Hennigfeld

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