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Die Müngstener Brücke im VRR: Von Ursachen und Konsequenzen

11.06.12 (Kommentar, Verkehrspolitik, VRR) Autor:Stefan Hennigfeld

Im Jahr 2010 war die Müngstener Brücke erst über Monate hinweg nur in Schrittgeschwindigkeit zu befahren, dann wurde sie gesperrt. Die vorübergehende Wiederfreigabe im Sommer 2011 scheiterte zunächst daran, dass die DB AG bei der Berechnung in den Antragsunterlagen vergessen hat, dass auch Fahrgäste in den Zügen mitfahren. Nach einigen Monaten Betrieb ist demnächst wieder für mehrere Wochen Busverkehr, 2013 erfolgt eine Sperrung von April bis November – böse Zungen sagen mindestens.

Dass die Müngstener Brücke in einem desolaten Zustand ist, lässt sich mit bloßem Auge erkennen. Auch VRR-Chef Martin Husmann hat das bereits vor Jahren gesehen und immer wieder bei DB Netz nachgefragt, was es mit der höchsten Eisenbahnbrücke Deutschlands auf sich hat. Schließlich fährt dort die Linie RB 47 als S-Bahn-Äquivalent im Zwanzigminutentakt. Der VRR sichert die wirtschaftliche Existenz der gesamten Strecke, nicht die wenigen Güterzüge in der Woche.

DB Netz hat auch immer wieder geantwortet. „Alles bestens, kein Grund zur Sorge, der Rostbefall ist entweder nicht schlimm oder eine optische Täuschung“. Nachdem das Eisenbahnbundesamt auf den Plan getreten ist, stellte sich heraus, dass DB Netz den VRR über Jahre hinweg systematisch angelogen hat – und obwohl dieser für die öffentliche Daseinsvorsorge verantwortlich ist, hatte er keinerlei Handhabe, denn einzig das Verkehrsunternehmen hätte etwas tun können. Von außen sah es so aus, als sei der Konzernfriede zwischen DB Regio NRW und DB Netz wichtiger gewesen als die Verpflichtungen dem VRR und den Kunden gegenüber.

Die rot-grüne Landesregierung war ebenso wie die schwarz-gelbe Vorgängerregierung untätig. Man hat sich nicht interessiert, erst nachdem die Anlage einige Monate zu war, trat der damalige Verkehrsstaatssekretär Horst Becker (Grüne) auf den Plan und forderte eine Sanierung von DB Netz. Da dieser sich nach dem Abellio-Urteil über mehrere Monate in der Öffentlichkeit nicht gezeigt hat und die Sperrung der Müngstener Brücke in denselben Zeitraum fiel, hat er seiner Parteifreundin und Schulministerin Sylvia Löhrmann den Vortritt gelassen, die – welch´ erfreulicher Zufall – dort ihren Wahlkreis hat.

Politische Konsequenzen fordert die rot-grüne Landesregierung nicht. An Ursachenforschung hat man offensichtlich keinerlei Interesse, denn es ist eine Thematik, die für den Laien zu abstrakt ist als dass man es damit in die Medien schaffen würde. Profilieren kann man sich damit nicht und deshalb lässt man es halt so weiterlaufen. Und auf Nachfrage gibt es ja die einfache Ausrede „das muss der Bund machen“. Dabei weiß man gerade in Düsseldorf, wie Bundesratsinitiativen gestartet werden, immerhin wollte man den rechtswidrigen Verkehrsvertrag zwischen DB Regio und VRR ja auch durch Gesetzesänderung nachträglich legitimieren – auch wenn dieser Versuch gescheitert ist.

Der Aufgabenträger braucht einen Rechtsstand. Das ist der zentrale Punkt. Die Landesregierungen aller Farben interessieren sich nicht für solche Sachverhalte, die DB AG hat sich (nicht nur in dieser Frage) als unzuverlässiger Partner erwiesen und aus gutem Grund gibt es unabhängige Aufgabenträgerorganisationen, die für die öffentliche Daseinsvorsorge verantwortlich sind. In diesem Fall ist das der VRR. Martin Husmann und niemand sonst hätte das Desaster schon vor Jahren verhindert, wenn er es juristisch gekonnt hätte.

Aufgrund der Finanzierungsstruktur des SPNV hat der Fahrgastverband Pro Bahn schon vor acht Jahren ein „direktes Vertragsverhältnis zwischen Nahverkehrsbesteller und Eisenbahninfrastrukturunternehmen“ vorgeschlagen. Was damals schon richtig war ist heute aktueller denn je. Damit kann gewährleistet werden, dass diejenigen, die die Musik de facto bezahlen auch für deren Qualität sorgen können.

Voller Stolz hat die Landesregierung eine ÖPNV-Zukunftskommission einberufen. Es dürfte wohl unbestritten sein, dass externer Sachverstand dort mit allerhöchster Dringlichkeit gebraucht wird. Man darf gespannt sein, ob diese sich zu der Frage äußern wird, in welchem Rechtsverhältnis Aufgabenträger und Infrastrukturbetreiber künftig zueinander stehen sollen. Gerade in Nordrhein-Westfalen muss der Fall Müngstener Brücke alle aufschrecken.

Dennoch ist dem VRR zu gratulieren. Obwohl es Lobbyisten gibt, die für „unsichere Betriebsprogramme“ die Option von Direktvergaben – vorzugsweise natürlich an DB Regio – fordern, hat man gezeigt, dass Wettbewerb auch an dieser Stelle ein Erfolg sein kann. Das ging so: Zunächst einmal wurde die Linie RB 47 alleine ausgeschrieben. Dann wurden, eben weil die Müngstener Brücke ein unkalkulierbares Risiko darstellt, die Pönale auf einem ganz geringen Niveau gedeckelt. Zudem wurde im Bruttovertrag ohne nennenswerte Anreizregelungen ausgeschrieben, denn man muss davon ausgehen, dass die Fahrgastzahl im Zweifel auf Null sinkt.

Und auf einmal spart der VRR einen Euro pro Zugkilometer im Vergleich zum Altvertrag und hat jetzt auch noch die Fahrgeldeinnahmen auf seiner Seite – Geldersparnis trotz Wechsel vom Netto- in den Bruttovertrag. Und anstatt die Ausschreibung hinauszuzögern und den Kunden noch länger die veralteten VT 628 aus längst vergangenen Zeiten zuzumuten, gibt es bereits kommendes Jahr Neufahrzeuge. Zumindest hoffen alle, dass der Betriebsstart von Abellio im Dezember 2013 problemlos klappt – die Sperrung bis November ist da jedenfalls keine gute Voraussetzung. Trotz allem: Gratulation an den VRR und ein Appell an die Politik, hier Courage zu zeigen und statt billigem Lamento die Konsequenzen zu ziehen.

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