Der VDV und die kommunale ÖPNV-Infrastruktur
18.06.12 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Als der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) in der letzten Woche seine Jahrestagung in Düsseldorf hatte, da dürfte man wohl zufrieden gewesen sein. Eines der Themen, an denen Verbandspräsident Jürgen Fenske schon seit Jahren mit viel Leidenschaft dran ist, fand großen Widerhall in der allgemeinen Tagespresse: Der enorme Finanzbedarf für Ersatzinvestitionen bei kommunaler Schieneninfrastruktur und nichtbundeseigenen Eisenbahnen.
Das ist ein zentrales Problem in der Verkehrs- und Infrastrukturpolitik kommender Jahre. Nicht die große Zahl an Neu- und Ausbauprojekten, sondern die Sanierung bestehender Verkehrswege muss finanziert werden. Dennoch muss man sich realistischerweise damit auseinandersetzen, dass es künftig immer weniger zweckgebundene und dafür immer nicht pauschale Zahlungen geben wird. Die Konkurrenz mit anderen Ressorts wird also vom Bundes- in die Landeshaushalte verlagert.
Das erste Beispiel ist bereits gemacht: Als die Regionalisierungsgelder 2007 gesenkt worden sind, erhielten die Länder aus der zeitgleichen Mehrwertsteuererhöhung eine Überkompensation. Es gibt jetzt mehr Geld als vorher, das ist jedoch nicht mehr zweckgebunden. Dieser Trend wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen: Mal wird das Schwimmbad saniert, dann der U-Bahntunnel und und später ist der Spielplatz dran. Der VDV muss sich jetzt auf Landesebene damit auseinandersetzen, dass der ÖPNV auf Geld angewiesen ist, mit denen die Landesregierungen machen können, was sie wollen. Das wird der Verband vielleicht erst noch lernen müssen, aber auf Dauer geht es nicht anders.
Die Länder haben diese finanzielle Eigenverantwortung im Rahmen der Föderalismusreform selbst gefordert. Die ersten haben bereits gezeigt, wie ernst sie diese eigene Zuständigkeit nehmen. Aber man kann nicht zweckgebundene Gelder in Pauschalzahlungen umwandeln und dann neue Forderungen nach zusätzlichen Finanzmitteln an den Bund stellen.
Denn finanzielle Unterstützung braucht es. Natürlich können die Kommunen die hohen Sanierungskosten ihrer Verkehrsinfrastruktur nicht selbst finanzieren, aber diese haben selbstverständlich auch eine Verantwortung für wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Ob die dogmatische Nibelungentreue der allermeisten Städte zu ihren eigenen Verkehrsbetrieben da so gut ist, sei dahingestellt. Gerade im kommunalen ÖPNV braucht es mehr Wettbewerb, wie er in Frankfurt am Main längst üblich ist
Voller Stolz verweist der VDV auf knapp achtzig Prozent Kostendeckungsgrad bundesweit im Schnitt. Der komplett ausgeschriebene Busverkehr in Frankfurt am Main hat hundert Prozent. Trotzdem haben viele kommunale Verkehrsunternehmen über Jahre hinweg aufwendige Restrukturierungen getätigt, die durchaus erfolgreich waren. Die Bildung von Einkaufs- und Werkstattgenossenschaften ist dabei nur ein wichtiger Punkt. Ausschlaggebend waren aber massive Einschnitte beim eigenen Personal.
Man muss vom jahrzehntelangen Branchenmantra „Schottet die Märkte ab und es geht den Arbeitnehmern gut“ abrücken, denn das ist nicht zutreffend. Gerade diese Arbeitnehmer mussten immense Verschlechterungen in Kauf nehmen. Es fing mit der Umstellung vom Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVöD) auf den neuen Tarifvertrag Nahverkehr (TVN) an und ging einige Jahre später weiter mit der Einführung der Entgeltgruppe 5a. Der Lohnunterschied beträgt damit monatlich rund achthundert Euro brutto.
Dazu kommt eine deutlich gestiegene Fremdvergabequote. Die kommunalen Verkehrsunternehmen haben sich auch damit saniert, dass sie einen nicht unerheblichen Teil ihrer Leistungen gar nicht mehr selbst fahren. Weil sie nicht wirtschaftlich genug sind, müssen sie externe Betriebe beauftragen, ganze Linien oder Linienbündel zu fahren. Längst ist es deutlich mehr als der morgendliche Verstärkerbus zur Hauptlastzeit.
Deshalb sollte genau da der Anfang gemacht werden: Alle Busleistungen, an denen die kommunalen Eigenbetriebe kein Interesse haben, weil sie sie extern betreiben lassen, gehören in eine ordnungsgemäße Ausschreibung. Als nächstes müssen die Linien folgen, die noch selbst gefahren werden. So muss optimale Wirtschaftlichkeit gewährleistet werden.
Denn auch das ist klar: Die allgemeine Entwicklung hat die Steigerung des Kostendeckungsgrades mit begünstigt. Zwar ist der Modal Split seit Jahrzehnten konstant (deshalb gibt der VDV auch auf Nachfrage vor, sich nicht dafür zu interessieren), aber das Gesamtverkehrsaufkommen steigt und der ÖPNV bildet das ab. Die absolute Fahrgastzahl geht also nach oben. Dass der VDV das als Erfolg verkauft ist ein Indiz für den schlechten Zustand der öffentlichen Verkehrsmittel.
Wenn man also bei konstanten Fahrleistungen eine höhere Auslastung der Busse und Bahnen hat und wenn dazu, wie das ja passiert, die Fahrpreise jedes Jahr aufs neue deutlich stärker als die Inflation steigen, dann ist ein erhöhter Kostendeckungsgrad die logische Folge, auch wenn der VDV es als Grund zum Feiern verkauft. Dazu kommt dass die Lohnkosten jedes Jahr massiv sinken, weil immer mehr nach TVöD bezahlte Altkräfte in Rente gehen, während die Nachfolger deutlich schlechter nach Entgeltgruppe 5a des TVN eingestellt werden.
Aber vor diesem Hintergrund sind alle Argumente gegen Wettbewerb ad absurdum geführt. Es braucht Ausschreibungen und eine Organisation wie im SPNV, die sich nach einer Wettbewerbsüberführung der Buslinien auf den Schienenbereich ausweiten muss. Im ach so abgeschotteten ÖPNV-Markt Frankreichs sind so etwas wie Stadtwerke gänzlich unbekannt. Selbstverständlich werden Straßen- und Stadtbahnleistungen dort ausgeschrieben und diesen Weg muss man auch in Deutschland gehen.
Dabei wäre das gar nicht das Ende der kommunalen Verkehrsbetriebe. Vielleicht würden einige kleine am Markt nicht bestehen können, aber die Big Player sind in ihren Heimatmärkten gut aufgestellt und könnten damit durchaus die Leistungen halten, die sie heute schon nicht fremd vergeben. Im Gegenzug könnten sie aber aus ihren eigenen Märkten heraus expandieren und die Wettbewerbssituation insgesamt befeuern.
Die hohe betriebliche Qualität in vielen U-Bahntunneln und bei vielen Straßenbahnen ist ein Zeichen dafür, dass die meisten großen kommunalen Marktteilnehmer ohne Probleme das Know How hätten, in den SPNV-Markt zu expandieren und dort Fuß zu fassen. Das würde die schlechte Wettbewerbssituation dort befeuern und gleichzeitig im kommunalen Bereich für wirtschaftliche und qualitative Verbesserungen sorgen. Das Erfolgsmodell Wettbewerb ist dafür der richtige Weg und es ist im Interesse der Fahrgäste und Steuerzahler. Die im kommunalen ÖPNV übliche Marktabschottung schadet allen – außer der kleinen Minderheit, die sich um ihre Pfründe sorgt.