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Ausschreibung der S-Bahn Berlin: Gut, aber auch gut genug?

25.06.12 (Berlin, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

In Berlin gehen die Uhren anders. Nicht nur dass man dort regelmäßig das Rad neu erfinden will, auch bei der Einhaltung von Recht und Gesetz tut man sich schwer. Eine Direktvergabe von Eisenbahnleistungen ist nun einmal nicht möglich, der Bundesgerichtshof hat im Februar 2011 einen Beschluss gefasst, der klipp und klar die Anwendung des Vergaberechtes als obligatorisch betrachtet, bekannt als Abellio-Urteil.

Also führt kein Weg an einer ordnungsgemäßen Ausschreibung vorbei und auch die Losbildung ist aufgrund der Mittelstandsklausel eine Selbstverständlichkeit. Keine Vergabekammer und kein zuständiges Gericht dürfte zulassen, dass ein Auftrag mit 32 Millionen Zugkilometern im Jahr als ganzes vergeben wird. Dabei ist ohnehin davon auszugehen dass die DB AG – die sich ja immerhin als langjähriger Schlechtleister gezeigt hat – die S-Bahn komplett behalten wird.

Bernard Kemper und Hans Leister haben schon recht: Niemand wird Investitionsgüter für einen hohen dreistelligen Millionenbetrag anschaffen, wenn man nach spätestens 15 Jahren exorbitante Sonderabschreibungen befürchten muss. Das gilt ausdrücklich auch für die Deutsche Bahn. Diese muss allerdings ein Angebot abgeben, tut sie es nicht, drohen den Entscheidungsträgern Konflikte mit Gewerkschaften und Betriebsräten, die selbst der Konzernvorstand nicht überstehen würde. Aber das Risiko wird dort dann vom ersten Tag an mit eingepreist – es wird nicht billiger für Berlin.

Natürlich sind die Berliner Züge so selten nicht. Das Lichtraumprofil ist bei U-Bahnen auf der ganzen Welt immer ein wenig anders und die seitlich bestrichene Stromschiene ist keine Exklusivität Berlins. Auf dem Papier dürften genug U-Bahntriebzüge bestehen, die man – in abgewandelter Form – auch für die S-Bahn Berlin wird nutzen können. Und wie es bei solchen Netzen üblich ist, bleiben die Fahrzeuge für den gesamten Abschreibungszeitraum an einem Ort.

Deshalb ist die Frage, wie man ausschreibt, hier von entscheidender Bedeutung. Für fairen Wettbewerb braucht man keinen landeseigenen Fahrzeugpool, es reicht eine Zusage, dass ein Nachfolgebetreiber verpflichtet wird, die Fahrzeuge zum Restwert zu übernehmen. Das Wirtschaftsberatungsbüro KCW hat für die S-Bahn Berlin bereits ein Besitzgesellschaftsmodell ausgearbeitet. Private Investoren würden das Rollmaterial anschaffen und an den Betreiber vermieten. Die öffentliche Hand müsste weder Geld ausgeben noch Risiken übernehmen, einzig gewährleisten, dass man Zugleistungen bestellt.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wollte vor den Wahlen zum Abgeordnetenhaus eine Direktvergabe an die Deutsche Bahn. Ob ihm das Vergaberecht nicht bekannt war oder ob es ihn schlicht nicht interessiert hat, darüber kann man nur spekulieren. Während des letzten großen Chaos im Januar 2011 war ja auch die Berliner Modewoche – und wer hat da schon Zeit für so etwas triviales wie die S-Bahn?

Doch gerade vor diesem Hintergrund muss man zumindest davon ausgehen, dass es einen Wunschbetreiber gibt, der DB AG heißt. Dann wird man in Berlin viel zu spät merken, dass diese überhaupt nichts fürs Gemeinwohl tut. Dabei dürfte der Status Quo es eigentlich jedem vor Augen geführt haben.

Man kann natürlich Verständnis für die Mitarbeiter haben. Man sollte aber auch um Verständnis bitten, dass das Interesse von mehr als drei Millionen Berlinern an einer baldigen Rückkehr zum Normalbetrieb wichtiger ist als die von der EVG künstlich geschürten Existenzängste von dreitausend Mitarbeitern des derzeitigen Schlechtleisters. Für wen man sich in Berlin interessiert, wird sich zeigen.

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