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Vor der NRW-Wahl: Verkehrsminister a.D. Lutz Lienenkämper zur Schienenpolitik

09.05.12 (Nordrhein-Westfalen) Autor:Stefan Hennigfeld

Lutz Lienenkämper (42) war von März 2009 bis Juni 2010 Verkehrsminister in Nordrhein-Westfalen und ist im Schattenkabinett von CDU-Spitzenkandidat Norbert Röttgen erneut für diesen Posten vorgesehen. In seine (erste) Amtszeit fielen die Einführung des neuen S-Bahnkonzeptes am Niederrhein, der Abschluss des später für rechtswidrig erklärten Verkehrsvertrages zwischen DB Regio NRW und VRR sowie die Zulassungsprobleme der eurobahn im Maas-Rhein-Lippe-Netz. Er gehört der CDU an. Wenige Tage vor den Landtagswahlen bezieht er im Eisenbahnjournal Zughalt.de Stellung

Herr Lienenkämper, Sie waren bereits einmal für etwas mehr als ein Jahr Verkehrsminister. Was unterscheidet Ihre Schienenpolitik von der Ihrer rot-grünen Nachfolgeregierung?

Wir haben gehandelt und viel erreicht, die rot-grüne Minderheitsregierung hingegen war überwiegend tatenlos. Die CDU geführte Landesregierung hat in der vergangenen Wahlperiode den ÖPNV neu geordnet: Mit der Änderung des ÖPNV-Gesetzes wurde der ÖPNV sowohl in organisatorischer Hinsicht als auch in Bezug auf seine Förderung grundlegend reformiert: Die Anzahl der für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) verantwortlichen, kommunal verfassten Zweckverbände oder Anstalten öffentlichen Rechts wurde von neun auf drei reduziert:

Unter der rot-grünen Minderheitsregierung herrscht jedoch Stillstand im Öffentlichen Personennahverkehr. Sie hat bis heute keine Novelle des ÖPNV-Gesetzes vorgelegt, obgleich die Expertenanhörungen bereits im Sommer 2011 abgeschlossen waren. So kann die dringend notwendige Verbesserung des ÖPNV-Angebotes in NRW nicht erreicht werden. Wir wollen in Regierungsverantwortung die Novelle des ÖPNV-Gesetzes noch in diesem Jahr auf den Weg bringen. Nur so kann Klarheit für die Verkehrsverbünde und die Bürgerinnen und Bürger geschaffen werden.

Die rot-grüne Minderheitsregierung denkt falsch. Zwar ist das Sozialticket genauso gescheitert wie der Haushalt 2012, aber es offenbart einen fundamentalen Denkfehler. Die Bereitstellung von 30 Millionen Euro oder gar noch mehr für die Einführung eines rein konsumtiv wirkenden Sozialtickets ist nicht nachhaltig. Was wir im ÖPNV/SPNV aber dringend benötigen sind Investitionen.

Wie stehen Sie zum Rhein-Ruhr-Express?

Die CDU-geführte Landesregierung hat im Rahmen des Bahngipfels im März 2010 eine SPNV-Rahmenvereinbarung mit einem Investitionsvolumen von 680 Millionen Euro für mehr Qualität im Schienenpersonennahverkehr nach Nordrhein-Westfalen geholt.

Die zentralen Aussagen des Gipfels haben bis heute Gültigkeit, u. a. die abschnittweise Realisierung des Rhein-Ruhr-Express (RRX). Im Investitionsrahmenplan 2011 – 2015 für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes (IRP) sind für den RRX zwischen Köln und Dortmund 184,4 Millionen Euro eingeplant. Das zeigt, wie gut die Vorgängerregierung verhandelt hat. Der RRX ist ein Erfolg der nordrhein-westfälischen CDU.

Sollte auch als Land NRW finanzielle Verantwortung für zusätzlichen Betrieb auf der Schiene übernehmen?

Im Augenblick soll das Land NRW erst einmal die vorhandenen Bundesmittel abrufen, die ihm zustehen. Das hat die rot-grüne Minderheitsregierung bislang versäumt, im Haushaltsjahr 2011 wurden für den Bereich ÖPNV 78,3 Mio. € nicht abgerufen.

Wie stehen Sie zum Wettbewerb im SPNV?

Wettbewerb im SPNV bietet Chancen und Potentiale, z. B.

  • fördert er unternehmerische Innovationen – und sorgt damit für mehr Qualität, z.B. bei den Fahrzeugen,
  • er ermöglicht es den Zweckverbänden, Standards für Qualität zu implementieren und zu kontrollieren,
  • er senkt Kosten – im Interesse eines optimalen Preis-/Leistungsverhältnisses für den Kunden.
  • er schafft Transparenz – im Hinblick auf Kostenstrukturen und Qualität.

Unterstützen Sie die Forderung des VDV nach einem „neuen Recht auf Direktvergabe?“

Wir sind der Auffassung, dass im Interesse eines guten ÖPNV- und SPNV-Angebotes mit angemessenen Fahrpreisen den wettbewerblichen Strukturen im Nahverkehr der Vorzug zu geben ist. Nur unter bestimmten Umständen mag eine Direktvergabe jedoch denkbar sein. Sie kann dort in Betracht kommen, wo keine hinreichenden Wettbewerbsstrukturen erreicht werden können, aber eine Grundversorgung im ÖPNV/SPNV gesichert werden muss. Hier sind ausgewogene Bündel zu schnüren, die sowohl wirtschaftlich interessante als auch verkehrlich notwendige Verbindungen enthalten. Aber auch dann ist der Aufbau von Wettbewerbsstrukturen schnellstmöglich anzustreben.

Streben Sie im kommunalen ÖPNV Wettbewerbslösungen an oder soll es bei der Dominanz kommunaler Eigenbetriebe bleiben?

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass ÖPNV und SPNV ohne kommunale Betriebe bei uns nicht funktionieren. Diese setzen oft als Nachunternehmer oder Konzessionsnehmer private Unternehmen ein. Grundsätzlich sollen Möglichkeiten für kommunale als auch für private Unternehmen nebeneinander bestehen.

Die CDU-geführte Landesregierung hat 2008 mit Ihrer Novellierung des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr in Nordrhein-Westfalen besonderen Wert darauf gelegt, dass auch kleinen und mittleren Unternehmen eine wirtschaftliche Teilnahme ermöglicht wird.

Im Zuge der heute längst überfälligen ÖPNVG-Novelle ist zu prüfen, ob dieses Ziel nun hinreichend gesichert ist. Gegebenenfalls muss man Maßnahmen ergreifen, die auch kleinen und mittleren Betrieben die Möglichkeit eröffnen wirtschaftliche Verkehre anbieten zu können.

Die BAG SPNV und zahlreiche Aufgabenträger warnen vor explodierenden Trassenpreiskosten. Wie sehen Sie diese Situation?

Trassenpreise werden durch die Betreiber der Schienenwege nach den Maßstäben des Eisenbahnrechts festgelegt und erhoben. Sie sind dabei zukünftigen Veränderungen unterworfen, wie z. B. das lärmabhängige Trassenpreissystem, das ab Winter 2012 kommt. Dabei erhalten die Wagenhalter auf dem Schienennetz der DB Netz AG einen laufleistungsabhängigen Bonus für die Güterwagen, die auf lärmgeminderte Bremsen umgerüstet werden.

Der Bund muss sicherstellen, dass die DB Netz AG ihr Trassenpreissystem hinreichend transparent und fair gestaltet. Ferner muss der Bund sicherstellen, dass sich das Verkehrsaufkommen sowie der Zustand der Strecken in den Trassenpreisen wiederspiegeln. Ist der Trassenpreis zu hoch, dann ist der SPNV nicht mehr konkurrenzfähig gegenüber anderen Verkehrsarten. Dies muss unbedingt verhindert werden. Derzeit überprüft die Bundesnetzagentur die Trassenpreise des größten deutschen Schienenwegbetreibers, der DB Netz AG. Nach Angaben der Bundesnetzagentur wird dabei geprüft, ob die Trassenpreise den tatsächlichen Kosten zuzüglich einer marktüblichen Rendite entsprechen. Dies werde ich aufmerksam und kritisch verfolgen.

Die Branche leidet an massivem Lokführermangel, daraus resultiert eine hohe Zahl an Zugausfällen. Wie wollen Sie dieses Problem lösen?

Dieses Problem besteht in der Tat. Der Lokführermangel in Nordrhein-Westfalen hat auch in diesem Jahr wieder über die Osterfeiertage zu Zugausfällen geführt. Letztlich kann diesem Personalmangel nur mit verstärkten Einstellungen und Ausbildungen von Lokführern entgegen gesteuert werden, ggf. muss für diesen verantwortungsvollen und interessanten Beruf verstärkt geworben werden.

Die Fragen wurden schriftlich gestellt und beantwortet. Interview: Stefan Hennigfeld

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