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Bogestra-Vorstand Gisbert Schlotzhauer: Der Fahrdienst ist das Kerngeschäft

22.05.12 (VRR) Autor:Stefan Hennigfeld

Gisbert Schlotzhauer (60) ist seit 1996 Vorstand für Personal, Kommunikation und Infrastruktur bei der Bogestra. In seine Amtszeit fielen ein nachhaltiger Sanierungskurs, die Eröffnung des dritten Bochumer Innenstadttunnels, der Erhalt der zuvor von Umstellung auf Busbetrieb bedrohten Linie 306 sowie die Gründung der Kooperation östliches Ruhrgebiet und die Eröffnung der Straßenbahnhauptwerkstatt an der früheren Zeche Engelsburg in Bochum. Mit dem Eisenbahnjournal Zughalt.de sprach er über die Arbeitsplatzsituation in seinem Unternehmen und die jüngst laut gewordenen Vorwürfe der Gewerkschaft Komba.

Herr Schlotzhauer, die Gewerkschaft Komba erhebt, auch im Nachgang zur VDV-Veranstaltung zur Personalsituation im ÖPNV Ende April, schwere Vorwürfe, unter anderem gegen die Bogestra. Insbesondere ist dabei die Rede von der Entgeltgruppe 5a im Tarifvertrag Nahverkehr (TVN). Diese sei gescheitert. Sie waren, als verantwortlicher Verhandlungsführer auf Arbeitgeberseite, maßgeblich daran beteiligt. Wie sehen Sie diese Situation?

Ich sehe das völlig anders. Die Tatsache, dass die Entgeltgruppe 5a mittlerweile von weit über zwanzig Unternehmen in Nordrhein-Westfalen, von einer einzigen Ausnahme abgesehen, angewandt wird, zeigt doch, dass die Entgeltgruppe 5a nicht gescheitert ist, im Gegenteil: Es war allen Beteiligten klar, auch der Komba, dass letztlich das Ziel sein muss, eine wettbewerbsnahe Bezahlung einzuführen. Diese ist mit der Entgeltgruppe 5a definitiv erreicht. Damit ist aber diese Entwicklung auch abgeschlossen, weil auch wir der Meinung sind, dass es eine weitere Absenkung in diesem Bereich so nicht mehr geben kann.

Ursprüngliches Ziel der Entgeltgruppe 5a war, das Lohngefüge bei privaten Subunternehmen etwas zu erhöhen und bei kommunalen Eigenbetrieben etwas zu senken, um einen Gleichklang zu schaffen. Das mit dem Senken mag funktioniert haben, aber die Erhöhung auch bei Ihren Subunternehmen eben nicht. Die GÖD-Tarifverträge des NWO üben Druck auf die Arbeitnehmer bei Ihnen aus.

Man muss nicht nur eine Seite der Medaille sehen, sondern beide. Es geht nicht nur um Bezahlung, sondern auch um Produktivität. Es geht also konkret darum, wie das Verhältnis zwischen wöchentlicher oder monatlicher Arbeitszeit und Lenkzeit ist. Da haben wir uns sehr stark angenähert. Aus diesem Grund ist der TVN Referenztarifvertrag im Finanzierungssystem des VRR. Deshalb sehe ich diesen Druck nicht mehr. Dieses Problem ist mit dem TVN gelöst, auch wenn die Verhandlungen dazu ganz sicher keinen Spaß gemacht haben.

Fürchten Sie, dass Ihnen das Personal ausgeht?

Nein. Wir haben keine Probleme, Nachwuchs für unser Unternehmen zu finden. Aber ich möchte noch etwas sagen: Wir unterstützen das Tariftreue- und Vergabegesetz in Nordrhein-Westfalen. Hierbei kann ich sowohl für die Bogestra als auch für den KAV NW sprechen. Es kann nicht sein, dass diese beiden bedeutenden Tarifverträge, der private und der kommunale, durch Unterbietungstarifverträge unter Druck geraten, die letztlich nur machbar sind mit Lohnzusatzzahlungen durch die Kommunen. Es kann niemand ein Interesse daran haben, dass unsere Kolleginnen und Kollegen auf ergänzendes Hartz 4 angewiesen sind. Deshalb ist dieser Schritt eine ganz wichtige Ergänzung zur tarifpolitischen Entwicklung.

Wie sieht das bei Ihren Subunternehmen aus? Wenn Sie Aufträge vergeben, welche Anforderungen haben Sie da?

Seit zehn Jahren schreiben wir Tarifbindungen in unseren Verträgen vor und kontrollieren das auch stichprobenartig. Dort, wo es Hinweise gegeben hat, haben wir auch auf die vertraglichen Konsequenzen hingewiesen und das werden wir auch weiterhin tun. Wir haben uns im kommunalen Arbeitgeberverband verabredet, dass die Kontrollen bei unseren beauftragten Unternehmen intensiviert werden. Das stellt kein Misstrauen gegen unsere Partner dar, zeigt aber, welch großen Wert wir auf diese Dinge legen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass ein großes privates Unternehmen aus dem NWO ausgetreten ist, weil ihm die Lohnerhöhungen zu stark waren. Von daher glaube ich, dass auch das private Omnibusgewerbe weiß, und wir wissen das auch aus Kontakt zu vielen Unternehmen, dass sie Löhne zahlen müssen, von denen man auskömmlich leben kann. Diese Tendenz ist nicht nur in Nordrhein-Westfalen erkennbar, sondern auch in anderen Bundesländern, etwa Baden-Württemberg, Bayern oder im Moment laufen Tarifverhandlungen in Norddeutschland. Wir sind da auf einem guten Weg.

Aber Sie haben vor einigen Jahren eines Ihrer Subunternehmen aufgekauft und dessen Tarifvertrag angewandt.

Wir haben damals gemeinsam mit der Essener Verkehrs AG die Firma Lingner gekauft. Die fährt für uns heute auf demselben Personallevel wie vor 15 Jahren, wir haben deren Leistungsvolumen nicht ausgeweitet. Das haben wir damals getan, in einer Situation, in der man schwer einschätzen konnte, wie die Kommunen sich weiter aufstellen und ob es zu Ausschreibungswettbewerben kommen würde. Damals war auch die TVN-Entwicklung noch nicht absehbar, so dass es sich hierbei um eine notwendige Entscheidung gehandelt hat, um Leistungen weiter anbieten zu können.

Das ist letztlich nicht so gekommen und deshalb ist das Unternehmen heute auch Teil einer sehr geringen Vergabequote von zwanzig Prozent. Das ist unter dem, was im TVN möglich ist, wir haben uns aber bewusst entschieden, das nicht zu tun, weil wir den Abschluss des TVN und die Einführung der neuen Entgeltgruppe 5a nicht nutzen wollen, um den Kolleginnen und Kollegen die Arbeit zu entziehen. Wir liegen mit dieser Fremdvergabequote weit unter dem Durchschnitt im VRR und in Nordrhein-Westfalen.

Nach welchen Kriterien suchen Sie sich Ihre Subunternehmen aus?

Wir schreiben die Leistungen regulär aus und halten uns selbstverständlich, auch als kommunale Aktiengesellschaft, an das Vergaberecht für öffentliche Aufträge. Das ist Teil unserer unternehmensinternen Compliance-Vereinbarungen.

Trotzdem haben Sie Subunternehmen, die verstärkt auf Teilzeitbasis und Minijobs setzen.

Auch wir haben bei uns Teilzeitbeschäftigte. Nicht bei uns, aber in anderen kommunalen Verkehrsbetrieben gibt es auch die Beschäftigung von Leiharbeitern. Das ist ein Umstand, den haben die privaten Unternehmen nicht alleine. Die Beschäftigtenstruktur hat sich verändert und solange das im Rahmen der tarifvertraglichen und sozialversicherungsrechtlichen Regelungen passiert, ist das auch in Ordnung. Viele junge Eltern etwa gehen in Teilzeit, um den Kontakt zum Unternehmen zu behalten, um aus ihrem Beruf nicht gänzlich herauszugehen.

Zu unserem Selbstverständnis gehört, dass der Fahrdienst das Kerngeschäft ist. Deshalb haben wir keine Tochtergesellschaften gegründet, um Tarifverträge zu umgehen, haben keine Leiharbeiter und eine relativ geringe Fremdvergabequote. Darum haben wir ja für den TVN und die Entgeltgruppe 5a gekämpft, um zu verhindern, dass wir – um die Existenz des Unternehmens insgesamt zu sichern – eine deutlich erhöhte Fremdvergabequote hätten einführen müssen. Das war und ist nicht unser Ziel. Deshalb finde ich es richtig und wichtig, dass die DBB-Tarifunion mit ihren Gewerkschaften Komba und GDL den TVN ebenso unterschrieben hat, wie die im DGB organisierte Verdi.

Bei all dem darf man ja nicht vergessen: Trotz aller Einschnitte, die wir in den letzten Jahren haben machen müssen, gibt es im kommunalen Bereich noch immer eine zusätzliche Altersversorgung, auch für die neuen. Das lässt sich auch in Mark und Pfennig beziffern, wir reden hier im Durchschnitt von rund 250 Euro im Monat netto, die das ausmacht. Von daher wird die Beschäftigung gerade mit Blick auf Rentenabsenkungsszenarien bei uns attraktiv bleiben.

Herr Schlotzhauer, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Stefan Hennigfeld.

Bild: Sandra Bruns

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