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Zugausfälle an Ostern

12.04.12 (Nordrhein-Westfalen) Autor:Stefan Hennigfeld

Über Ostern hatten zahlreiche Eisenbahnverkehrsunternehmen mit Zugausfällen zu kämpfen. Grund ist die angespannte Personalsituation – branchenweit. Davon ist auch Keolis betroffen. Das Unternehmen betreibt unter der Marke eurobahn unter anderem das Maas-Rhein-Lippe-Netz im VRR. Es besteht aus den Linien RE 3 (Hamm – Gelsenkirchen – Düsseldorf) und RE 13 (Hamm – Wuppertal – Venlo). In der neuen Woche hat sich die Situation allerdings trotz der noch immer andauernden Urlaubszeit entspannt.

„Wir wollen unternehmensweit zehn bis zwölf neue Lokführer einstellen, aber der Markt ist leergefegt“ sagt Hans Leister, Geschäftsführer bei Keolis. „Wir kommen mit unserer bestehenden Personaldecke gerade so hin, haben aber keinerlei Reserven mehr. Diese Situation wird sich in den nächsten Wochen allerdings ändern.“ Er weist darauf hin, dass eine Gruppe Lokführer in den letzten Monaten wegen einer betriebsinternen Fortbildung nicht fahren konnte. „Wer für uns nach Venlo fährt, der benötigt eine vollständige Fahrberechtigung im niederländischen Eisenbahnnetz, inklusive der entsprechenden Sprachkenntnisse. Die Kollegen, die tageweise von der laufenden Fortbildung betroffen waren, kehren nächste Woche vollständig an ihre Arbeitsplätze zurück.“

Außerdem bildet die eurobahn derzeit Nachwuchs aus. „Wir rechnen damit, dass spätestens im Sommer ein weiterer Kurs abschließt und dann neue Triebfahrzeugführer zur Verfügung stehen. Das wird die Situation weiter entspannen.“ Auch bei der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) ist das Problem bekannt. Frank Schmidt, Vorsitzender des Bezirkes Nordrhein-Westfalen: „Die eurobahn ist ein guter Arbeitgeber. Dort gelten unser Rahmentarifvertrag und auch der Betreiberwechseltarifvertrag. Das Unternehmen leidet aber am zu geringen Personalbestand in der Branche insgesamt. Auch der beste Arbeitgeber kann sich keine Leute herbeizaubern. Deshalb ist es so wichtig, dass unternehmensübergreifend ausgebildet wird. Es ist kein spezifisches Problem der eurobahn, diese ist nur zufällig betroffen.“

Dabei hat es dort seit der Betriebsaufnahme des Maas-Rhein-Lippe-Netzes im Dezember 2009 insgesamt 29 Kündigungen gegeben. 23 frühere Mitarbeiter der eurobahn wechselten zur Deutschen Bahn, sechs zu anderen Privatbahnen. Leister: „Wir sind nicht das einzige Unternehmen, das händeringend Lokführer braucht. Gerade der Wirtschaftsaufschwung ab 2010 hat mit dafür gesorgt, dass der Bedarf im Güterverkehr enorm gewachsen ist. Von jetzt auf gleich fehlen eine Menge ehemaliger Kollegen bei uns im Regionalverkehr.“

Die GDL fordert die Einführung eines branchenweiten runden Tisches, wie es ihn in Bayern bereits gibt. Schmidt: „Personalmangel ist kein nordrhein-westfälisches Problem. In anderen Ländern ist man dort aber weiter als bei uns. Deshalb steht unsere Forderung nach einem runden Tisch. Aufgrund der Ereignisse an den Tagen nach Ostern gehe ich davon aus, dass wir diesem ein ganzes Stück näher gekommen sind.“

Den runden Tisch unterstützt auch Hans Leister: „Wir sitzen alle im selben Boot und sind alle von diesem Problem betroffen. Unser Ziel muss es sein, gemeinsam eine starke Eisenbahn auf die Schiene zu stellen und da ist Zuverlässigkeit eine Grundvoraussetzung. Deshalb bin ich der Auffassung, dass die Forderung der GDL nach einem runden Tisch richtig ist.“

Auch beim VRR kennt man die Situation. Sprecherin Sabine Tkatzik: „Wir haben bereits in mehreren Gesprächen mit der Keolis-Führung, auch unter Beteiligung hochrangiger Vertreter der französischen Staatseisenbahn SNCF, die der Hauptgesellschafter des Unternehmens ist, deutlich gemacht, dass wir diese Situation nicht akzeptieren. Für Zugausfälle bezahlen wir kein Geld, es ist daher für jeden Betreiber unwirtschaftlich, wenn die Züge stehen bleiben. Dennoch sind auch wir grundsätzlich bereit, uns an branchenweiten Gesprächen zu beteiligen, wenn diese sich im Rahmen der gebotenen Sachlichkeit und gegenseitigem Respekt bewegen.“

Dass neben dem Personalmangel auch die Fluktuation ein branchenweites Problem ist, bestätigt man auch beim Privatbahnverband Mofair. Hauptgeschäftsführer Engelbert Recker: „Die Deutsche Bahn leidet heute unter der völlig verfehlten Personalpolitik der Mehdorn-Zeit. Über Jahre hinweg wurde in manchen Regionen überhaupt nicht ausgebildet und heute haben wir die Situation, dass der Platzhirsch aus Verzweiflung den Personalbestand der Privatbahnen aussaugt. Wir werden niemandem einen Vorwurf machen, wenn er sich woanders bewirbt. Aber die Deutsche Bahn bietet ihren Mitarbeitern Prämien, wenn sie neue Kollegen anwerben. Unsere Mitglieder berichten, dass ihre Lokführer am Bahnsteig von der Seite angequatscht und abgeworben werden und teilweise auch Geld geboten bekommen, wenn sie zu DB Regio wechseln. Dieses Verhalten ist eines Marktführers unwürdig.“

Frank Schmidt bedauert, dass ausgerechnet Keolis Opfer dieser Abwerbeaktion ist. „Keolis ist im Vergleich zu vielen anderen Privatbahnen im Nordrhein-Westfalen ein deutlich besserer Arbeitgeber. Während es woanders noch immer Lohnunterschiede zu DB Regio gibt, gilt bei Keolis ganz selbstverständlich das Prinzip des Equal Pay eines Flächentarifvertrages. Wenn die Kolleginnen und Kollegen mit einer verlängerten Kündigungsfrist einverstanden sind, dann bekommen sie sogar hundert Euro mehr im Monat. Deshalb sind alle Vorwürfe, die auch über Ostern wieder laut geworden sind, völlig unzutreffend.“

Eine DB-Sprecherin wies die Vorwürfe als falsch zurück: „Bei dem Programm ´Mitarbeiter werben Mitarbeiter´ handelt es sich um ein gängiges Instrument der Personalgewinnung, das seit längerem in einzelnen Geschäftsfeldern der DB und außerdem in vielen anderen deutschen Unternehmen üblich ist. Wir wollen das Programm zum Sommer konzernweit vereinheitlichen, nicht mehr und nicht weniger. Es gilt für DB-Mitarbeiter in Deutschland, ist aber an klare Voraussetzungen geknüpft: z.B. muss die Stelle für das Programm ausgeschrieben sein, also sich dafür eignen. Einzelheiten sind noch in Abstimmung.“

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