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Die steigenden Dieselpreise und die Auswirkungen für den ÖPNV

24.04.12 (VRR) Autor:Stefan Hennigfeld

Autofahrer klagen über die exorbitanten Preise an der Tankstelle – selbst der Liter Diesel ist kaum noch für unter 1,50 Euro zu haben. Doch wie sieht die Sache eigentlich bei öffentlichen Verkehrsmitteln aus? Sind die hohen Spritpreise dort Fluch oder Segen? Denn einerseits steigen die Treibstoffkosten auch für den Omnibus, andererseits überlegen sich Autofahrer viel eher, ob man nicht doch mal auf die Öffis umsteigt.

Die Bogestra gehört zu den Big Playern im kommunalen ÖPNV. Sie betreibt in Bochum, Gelsenkirchen, Witten und Umgebung 252 Busse. „Wir verbrauchen mehr als 150.000 Liter Diesel in der Woche“ erklärt Unternehmenssprecherin Sandra Bruns. „Im Jahr 2010 waren es 8,4 Millionen Liter, die bei uns mit mehr als 6,9 Millionen Euro zu Buche schlugen.“ Neuere Zahlen liegen leider noch nicht vor. „Wir haben in den letzten Jahren zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit umgesetzt – auch im Kraftstoffverbrauch.“

So hat man bei der turnusmäßigen Fortbildung der Busfahrer in den letzten Jahren besonderen Wert auf energiesparende Fahrweise gelegt. Bruns: „Was für den Autofahrer vielleicht nach wenig klingt, kann bei mehr als 25 Millionen Bus- und Zugkilometern im Jahr schnell eine Einsparsumme im sechsstelligen Bereich bedeuten. Größe ist hier ganz klar ein entscheidender Faktor.“

Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR), dessen Mitglied die Bogestra ist, ist Modellregion Elektromobilität. Im Rahmen dieses Projektes sind 15 Hybridbusse des Herstellers Solaris bei der Bogestra im Einsatz. „Die Hybridbusse haben etwa 15 Prozent weniger Treibstoffverbrauch als solche mit konventionellem Dieselantrieb, sind aber jenseits der öffentlichen Förderung aufgrund der noch immer zu hohen Anschaffungskosten wirtschaftlich nicht darstellbar“ erklärt Sandra Bruns.

Eine Situation, die sich bei weiter explodierenden Spritpreisen vielleicht ändern kann. Doch auch unabhängig davon steht die Technik nicht. Bruns: „Wenn wir den Dieselverbrauch von Bussen mit den Baujahren 1992, 2002 und 2012 vergleichen, dann kann man feststellen, dass die Industrie hier erhebliche Fortschritte erzielt hat. Deshalb sind moderne Busse mit entsprechender Ausstattung nicht nur im Interesse unserer Kunden, sondern eine Investition in die Wirtschaftlichkeit unseres Unternehmens.“

Auf der Schiene haben dieselbetriebene Fahrzeuge eine sehr viel längere Lebensdauer, so dass sich effizientere Motoren erst nach Jahrzehnten auswirken. Keolis ist mit der Marke eurobahn im SPNV in Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen im SPNV aktiv, auch mit Dieseltraktion. Geschäftsführer Hans Leister: „Moderne Triebzüge vom Typ Talent oder Lint haben zwar einen geringeren Kraftstoffbedarf als Züge mit Dieselloks. Trotzdem bleibt der Verbrauch der Fahrzeuge über Jahrzehnte konstant. Leider sind echte Innovationen wie Hybrid-Fahrzeuge, die die Bremsenergie nutzen können, oder moderne Akkutriebwagen, die auf elektrifizierten Abschnitten aus der Oberleitung nachladen können, nur als Idee vorhanden, aber nicht entwickelt. Hier hätte die Bundesregierung ein Feld, wo sie die Zuschüsse für die Industrie zur Förderung der Elektromobilität besser einsetzen könnte, als nur bei der Autoindustrie.“

Das Problem der steigenden Dieselpreise reichen die Eisenbahnverkehrsunternehmen allerdings heute an ihre Nahverkehrsbesteller weiter. Leister: „Dieselpreise sind in den Verkehrsverträgen in der Regel indiziert. Das bedeutet, die reale Kostenentwicklung schlägt sich in den Bestellerentgelten nieder, die wir von unseren Aufgabenträgern erhalten.“

Auf der Schiene unterscheidet man zwischen Netto- und Bruttoverträgen. In Nettoverträgen bleiben die Fahrgelderlöse beim Betreiber, in Bruttoverträgen gehen sie an den Aufgabenträger. „Wenn die Dieselpreise steigen, dann tendieren mehr Leute dazu, ihre Autos stehen zu lassen und auf die Bahn umzusteigen. Wenn man in Nettoverträgen fährt, dann hat man als Eisenbahnverkehrsunternehmen sogar einen Vorteil von steigenden Kraftstoffkosten, weil mit dem Fahrgastaufkommen auf die Erlöse steigen“ erklärt Hans Leister.

Im anderen Fall steigen Kosten und Einnahmen beim Aufgabenträger. Der VRR ist der größte SPNV-Besteller der Europäischen Union. Pressesprecherin Sabine Tkatzik: „Unsere Verkehrsverträge sind von langfristiger Natur. Oft gleichen sich die Beträge über die Jahre aus. Ein Beispiel: In den Jahren 2007 und 2008 stiegen die Dieselkosten um jeweils 15 Prozent. Dafür sind sie in der Krise 2009 auch um 23 Prozent gesunken. Der Gesamttrend macht aber deutlich: Es geht aufwärts. Sowohl beim Fahrgastaufkommen als auch bei den Dieselpreisen.“

Aber die Aufgabenträger ächzen bundesweit unter anderen Problemen. Tkatzik: „Die Trassengebühren durch DB Netz fressen einen immer größeren Anteil der uns zur Verfügung stehenden Finanzmittel auf. Derzeit zahlen wir etwa die Hälfte unseres Budgets für die Infrastruktur, bei gleich bleibender Preisentwicklung werden es im Jahr 2020 rund achtzig Prozent sein. Hier tun sich existentielle Probleme für den SPNV auf.“

Die Möglichkeiten, die der öffentliche Verkehr eigentlich hätte, wenn das Autofahren deutlich teurer wird, werden dadurch eingeengt. Wenn das Benzin innerhalb eines Jahres um zwanzig Prozent teurer wird, dann wären Fahrgeldsteigerungen von zehn oder zwölf Prozent denkbar, um damit deutliche Angebotsverbesserungen zu bezahlen – aber nicht, wenn das Geld für gestiegene Infrastrukturkosten im SPNV drauf geht und nicht den Kunden zugute kommt, weil das Budget real jedes Jahr sinkt.

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